Das Freiamt gedenkt des 200. Geburtstags von Franz Liszt. Dem Musiker, der als einer der schillerndsten Musiker des 19. Jahrhunderts gilt, wird eine Ausstellung in der Klosterkirche Muri gewidmet. In Boswil finden derweil Gedenkkonzerte statt.
In den grossen Metropolen und in den Medien wird in diesen Tagen ausgiebig der 200. Geburtstag von Franz Liszt (1811–1886) gefeiert. Einem dieser prominenten Orte verdankt das Freiamt, dass hier des Musikers gedacht wird: Die Gedenkausstellung, die jetzt in Muri zu sehen ist, entstand ursprünglich für Bayreuth, mit dem der grosse Wagner-Förderer Liszt eng verbunden war, dort gestorben ist und begraben liegt.
Dass Muri ausersehen und zudem Boswil in die Gedenkanlässe einbezogen wurde, ist freilich kein Zufall. Denn mit der Alten Kirche und dem Künstlerhaus ist Boswil in musikalischen Kreisen seit langem ein Begriff, und Muri mit seiner mächtigen Klosteranlage bietet sich für einen, der in vorgerücktem Alter die niederen Weihen empfing, ebenfalls an.
Mit Liszt-Klischees aufräumen
Die Ausstellung «Franz Liszt – ein ruheloser Visionär», die das Büro Artes mit den beiden Kuratorinnen Verena Naegele und Sibylle Ehrismann zunächst im Rahmen der Bayreuther Festspiele gestaltet hat, dient nicht zuletzt dazu, mit einigen verbreiteten Liszt-Klischees aufzuräumen. In fünf in sich geschlossenen Kapiteln werden auf den drei öffentlich zugänglichen Stockwerken im Südflügel des Klosters Muri anhand von Archivdokumenten die wichtigsten Wesenszüge des wie ein Popstar gefeierten Klaviervirtuosen, Komponisten, Dirigenten und Abbés gezeigt.
Da erfährt man zum Beispiel, dass Liszt bereits als Jugendlicher Priester werden wollte und die Religiosität ihn ein Leben lang begleitete. Es ist daher falsch, wenn gelegentlich gesagt wird, Liszt habe die Soutane aus Berechnung angenommen. Dagegen sprechen auch die zahlreichen sakralen Werke, von denen nicht wenige zu seinen besten Kompositionen gehören.
Tourneen und Klavierbau
Zwei andere Aspekte, die weniger Beachtung finden, sind die Umstände, unter denen die zahlreichen Reisen Liszts vor sich gingen, und die Entwicklung des Klavierbaus. Auch sie werden mit einer geschickten Mischung aus Bild und Text anschaulich dargestellt. Allein in Deutschland gab Liszt von 1840 bis 1845 300 Konzerte. Wie konnte einer damals diese Strapazen bewältigen?
Das Reisen in der Kutsche war nicht nur zeitraubend und anstrengend, sondern auf den holprigen Strassen auch gefährlich. Liszt hat sich denn auch einmal die Hand verstaucht, als die Kutsche umfiel. Zum Üben blieb kaum Zeit, doch Liszt hatte sich zum Glück bei Czerny eine grundsolide Technik erarbeitet, auf die er sich stets verlassen konnte.
Nicht zuletzt dank Liszt nahm der Klavierbau im 19. Jahrhundert eine enorme Entwicklung. Ja, eigentlich erst jetzt wurde das Klavier zum Soloinstrument gemacht, das einen grossen Raum füllen konnte und dessen Stimmung bis zum Schluss hielt. Erard (Paris), Bösendorfer (Wien) und Steingraeber (Bayreuth) hiessen die Klavierbauer, die das Klangvolumen vergrösserten und für eine stärkere Saitenspannung den Eisengussrahmen erfanden.
Zwei Flügel im Festsaal
Im Anschluss an die Vernissage wurde einiges von Liszts Wirken auch im Klang lebendig. Im prächtigen Festsaal des Klosters standen zwei Flügel. Auf dem einen, dem historischen Fortepiano Julius Blüthner von 1874, spielte Tomas Dratva die neun Stücke des während der Schweizer Jahre mit der Gräfin d’Agoult entstandenen Zyklus «Années de Pèlerinage», 1ère Année – Suisse (1849–1853), auf dem andern, einem modernen Bösendorfer, neuere und neueste Werke, wobei er jeweils zwischen einem Liszt-Stück und einer neuen Komposition abwechselte.
Überraschend war, wie voluminös im Klang sich auch der historische Flügel gegenüber dem Bösendorfer ausnahm, auch wenn dieser durch die Rundheit des Tons und die «gesunde» Klangbasis noch mehr imponierte.
Hörmässig am eingängigsten erschlossen sich nicht unerwartet die beiden älteren «Lichtspiele» (1971) von János Tamás (1936–1995) und «Klavierstück 2» aus dem Zyklus «Auf dem Weg», Heft 1 (1993) von Aribert Reimann (geb. 1936).
Sie zeigten auch eine Affinität zum Liszt-Werk, während «Desert in mood» for piano in and outside (2009) von Esther Flückiger (geb. 1959) und «voicelessness. The snow has no voice» (1987) von Beat Furrer (geb. 1954) bei ihrem Vorstoss in neue Klanglichkeiten enigmatisch wie die Titel blieben und eher Gegenentwürfe zu Liszt darstellten.
Nächstes Wochenende finden weitere Liszt-Konzerte in der Alten Kirche Boswil statt; dabei sind profilierte Aarauer Pianisten wie Oliver Schnyder, Karl-Andreas Kolly und Carl Wolf sowie das Klavierduo Soós-Haag. Ausstellung im Kloster Muri bis 3. Dezember.