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Die Sedimente, die sich im Naturschutzgebiet ablagern, können zum Problem werden, welches weitläufige Auswirkungen haben kann. Der wohl einzige Weg, dass dies bessert: Immer wiederkehrende Eingriffe und die Verlagerungen aufheben.
Jedes Jahr macht der Kanton Aargau eine Luftaufnahme des Flachsees. Betrachtet man diese über die letzten 40 Jahre, dann erkennt man, dass das Gewässer an verschiedenen Stellen weniger tief ist als noch zu Beginn.
Grund dafür ist die allmähliche Verlandung durch Sedimenteintrag. Entstanden ist der Flachsee durch die Stauung beim Kraftwerk Bremgarten-Zufikon. Da die Reuss ganze neun Kilometer bis an die Gemeindegrenze Rottenschwil-Aristau gestaut wird, fliesst sie langsamer.
Das hat zur Folge, dass gröberes Material wie Kies oberhalb des Flachsees liegen bleibt und sich feineres Sediment wie Sand und Schlick im Naturschutzgebiet absetzen. Nicht nur der See verlandet, auch das Flussbett, die sogenannte Laufreuss, die am Flachsee vorbei führt, füllt sich langsam auf.
Es gibt zwei Möglichkeiten, diesem Problem Herr zu werden: Schon mehrmals wurde mit Baggern das Flussbett vertieft und das Material unterhalb des Kraftwerks wieder der Reuss zugeführt.
Vor 40 Jahren wurde das Kraftwerk Zufikon-Bremgarten gebaut. Das war die Geburtsstunde des Flachsees, des wohl wichtigsten Naturschutzgebiets im Freiamt. Anlässlich des Jubiläums berichtet die az Freiamt in einer Serie über Themen rund um den Flachsee.
Haben Sie besonders schöne Bilder oder Geschichten zum Flachsee? Schicken Sie uns Ihren Beitrag per Mail an freiamt@aargauerzeitung.ch mit dem Betreff «Flachsee», oder per Post an Aargauer Zeitung, Zentralstrasse 3, 5610 Wohlen.
Eine weitere Möglichkeit, die momentan untersucht wird, besteht dank den sogenannten Grundablässen am Kraftwerk, die zwischen 2011 und 2013 saniert wurden. Diese befinden sich unten an der Staumauer. Werden sie geöffnet, fliesst das Wasser durch, ohne die Turbinen anzutreiben. Dadurch entsteht eine Sogwirkung, ähnlich wie wenn man bei einer Badewanne den Stöpsel zieht, und die Sedimente können das Kraftwerk passieren.
«Aktuell läuft eine Studie, die untersucht, ob es möglich ist, mit der Öffnung der Grundablässe und einer Absenkung des Staupegels das Geschiebe zu reaktivieren», erklärt Marcel Bieri, Betriebsleiter des Kraftwerks Bremgarten-Zufikon.
Die Grundablässe können nur bei Hochwasser geöffnet werden. Das Kraftwerk produziert auch dann nach Möglichkeit Strom. Die Produktion ist jedoch geringer, da sich das Gefälle durch den höheren Unterwasserpegel reduziert und bei Hochwassern die Rechen der Turbineneinläufe vermehrt verstopfen.
Dass das Flussbett genügend tief bleibt, liegt einerseits im Interesse des Hochwasserschutzes. Das Problem begrenzt sich aber nicht nur auf den Flachsee. Wenn das Wasser nach dem Stauwehr weniger Sedimente mitführt, werden mehr aus dem Flussbett gelöst. Das kann sich sogar für die Brücke in Mellingen nachteilig auswirken, weil der Boden, in dem die Brückenpfeiler verankert sind, abgetragen wird.
Aus Sicht des Naturschutzes verändert sich der Biotoptyp, wie Josef Fischer, Geschäftsführer der Stiftung Reusstal, erklärt: «Wenn die tieferen Wasserbereiche durch Verlandung abnehmen, gibt es einen grösseren Lebensraum für Amphibien, für Tauchenten wird er dagegen kleiner.»
Teilweise würden die Tauchenten auf die Laufreuss ausweichen. Damit kommt es zum nächsten Konflikt. Nicht nur für die Enten, auch für Wassersportler ist die Laufreuss wichtig, und der Betrieb zieht sich bei warmem Wetter länger in den Herbst hinein.
«Es stellt sich die Frage, ob es noch richtig ist, dass sich das Zeitfenster für den Wassersport in der gestauten Reuss entlang des Flachsees von Mitte März bis Ende Oktober erstreckt», sagt Fischer.
Gebiete, die für bestimmte Arten angelegt wurden, werden in der Zwischenzeit auch von «Neuankömmlingen» genutzt. So wurden die Kiesinseln vom Fussregenpfeifer, später auch vom Kiebitz genutzt. Seit gut zehn Jahren bevölkern auch Mittelmeermöwen das Gebiet. «Früher hat man geglaubt, dass das Zugverhalten der Vögel genetisch über sehr lange Zeiträume fixiert wird und sich die Tiere auf rasche Veränderungen wie die heutigen Klimaveränderungen nicht anpassen können», sagt Josef Fischer, Leiter der Stiftung Reusstal. «Die Forschung hat gezeigt, dass sich diverse Arten innerhalb weniger Generationen anpassen.» Wenn es also tendenziell wärmer wird, dann fliegen die Zugvögel im Winter nicht mehr so weit in den Süden. Das kann wiederum zur Folge haben, dass einheimische Arten von den zugewanderten verdrängt werden. (kob)
Auch das sei ein interessanter Ersatzlebensraum, sagt Fischer. «Für den Naturschutz geht es darum, wie viel man in Zukunft eingreifen soll. Wir können auch dem Biber die Gestaltung des Gebiets überlassen.»
Momentan sind zwei ‹Nichteingriffszonen› definiert. Dagegen werden die Kiesinseln offen gehalten, sie sind ein wichtiges Nistgebiet für manche Vogelarten. An anderen Stellen wurden Wasserbüffelweiden eingerichtet, sie helfen «den Verwaldungsschritt zu unterbinden», wie sich der Fachmann ausdrückt.
Damit die Reuss und der Flachsee in ihrer heutigen Form bestehen bleiben, braucht es also wiederkehrende Eingriffe. Denn Flüsse wie die Reuss hätten, würde der Mensch nicht eingreifen, ein grosses, offenes Gebiet, auf der sich der Flusslauf immer wieder verlagert.
Josef Fischer bringt es auf den Punkt: «Wie stark man in die vom Mensch veränderte Landschaft eingreift, um den Naturschutz zu gewährleisten, ist immer auch ein Spiegel von gesellschaftlichen Anschauungen.»