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Michèle Jörg Dittli bietet dieses Jahr erstmals Kräuterwanderungen durchs Freiamt an. Dabei erzählt sie auch Geschichten und Sagen über die Pflanzen.
Sie kommt keine zehn Schritte weit, schon entdeckt Michèle Jörg die ersten Blümchen, die sie ihren Kursteilnehmerinnen zeigen will. Direkt neben dem Pausenplatz der Schule Aristau wachsen die leuchtend pinken Storchenschnäbel, bei denen schnell klar wird, woher sie ihren Namen haben: Die Samenkapseln sehen aus wie Meister Adebars Mund.
Doch die passionierte Kräutersammlerin kennt noch eine andere Geschichte dazu: «Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch haben früher Storchenschnabeltee getrunken, um Kinder zu bekommen. Ob es wirkt, weiss ich allerdings nicht», erzählt sie schmunzelnd. Eine Teilnehmerin mutmasst: «Klar, nach Storchenschnabeltee kann man auf den Storch warten.»
Genau das ist die Spezialität der jungen Kräuterwanderungsleiterin Michèle Jörg Dittli: Sie verbindet ihre drei Leidenschaften Wandern, Wildkräuter und Geschichten zu einem spannenden Erlebnis. Immer wieder bleibt sie bei einer Pflanze etwas länger stehen, erklärt deren Inhaltsstoffe und gibt Tipps zu schmackhaften (und gesunden) Rezepten. Doch dann vertieft sich ihr Lächeln, wenn sie vom Wissen alter Zeit berichtet.
Beim Holunder erzählt sie von Frau Holle, der alten Göttin des Lebens und des Todes, der man diesen Busch zugeschrieben hat. «Ausserdem hat man im Mittelalter seine Schätze scheinbar immer unter dem Hofholunder vergraben. Denn wenn Räuberbanden oder andere geraubt und gebrandschatzt hatten und alles niedergerannt war, war der Holunder der Erste, der wieder ausschlug, und so wusste man, wo die Schätze versteckt waren», berichtet sie und bringt ihre Kursteilnehmerinnen zum Schmunzeln.
Zu ihren allerliebsten Wildpflanzen gehören Spitzwegerich und Brennnessel. Der Spitzwegerich hilft, äusserlich angewendet, sehr rasch gegen Mückenstiche oder eben die Verbrennungen der Brennnesseln, heilt aber auch die verschiedensten Wunden. Innerlich, als Tee, wirkt er gegen Husten und alle Arten von Atemwegsbeschwerden. Dabei wächst der kleine Alleskönner beinahe an jeder Ecke. Und er ist auch schmackhaft und gesund in Pestos, als Tee oder Salat. «Die Brennnessel kann jeden Superfood aus Übersee ersetzen», sagt Jörg weiter.
«Sie enthält sehr viel Vitamin A, C und E, daneben aber auch viele wichtige Stoffe wie Magnesium, Kalium, Eisen, Silicium und Eiweiss. Besonders die Samen, die man derzeit an ihnen findet, sind voller guter Stoffe.» Darum rät sie: «Viele Leute nerven sich über zu viele Brennnesseln in ihren Gärten und töten sie ab. Dabei gibt es eine viel bessere Variante: Esst sie einfach auf!»
Michèle Jörg ist fasziniert davon, dass die Natur immer genau das anzubieten hat, was der Mensch (und natürlich auch die Tiere) gerade braucht. Direkt nach dem entbehrungsreichen Winter wachsen Bärlauch, der entschlackt, Brennnesseln und Vogelmiere, die den Körper wieder mit Vitamin C und anderen Stoffen auftanken, auf die er den Winter über verzichten musste. Beim Holunder hingegen sind die Blüten süss und leicht, helfen aber auch als Tee bei Erkältungen, während die Beeren im Herbst als Saft (nicht roh!) das Immunsystem stärken und einen fit für den Winter machen. «Die Vitamine kann man ebenfalls als Saft mit in die kalte Jahreszeit nehmen.»
Sogar aus den von Bauern nicht gern gesehenen Blacken macht sie einen kühlenden Verband, der gegen leichte Verbrennungen und andere «Bobos» gerade bei Kindern sehr gut wirkt, weil er zu allem Überfluss auch noch lustig anzusehen ist.
Ganz wichtig sind ihr momentan aber auch einfach all die bunten Blumen wie Gänseblümchen, Rotklee, Goldnessel, Gundermann, Wiesensalbei, Storchenschnabel oder Wiesenflockenblumen, mit denen man jedes Gericht optisch aufpeppen kann. So wird jede Mahlzeit zu einer kleinen Feier. «Wichtig ist, dass man sich immer 100-prozentig sicher ist, bevor man eine Pflanze isst. Aber solange man darauf achtet und nur im Wald oder an von Gülle, Dünge- und Spritzmitteln sowie Abgasen unbelasteten Stellen sammelt, hat man jetzt eine wunderbar bunte und genussreiche Zeit.»
Zutaten:
Zubereitung: Alle Zutaten grob hacken, in den Mörser geben und zu einer Paste verarbeiten, evtl. etwas Öl nachgiessen, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Auf fein geröstetem Brot servieren. Mit essbaren Blüten garnieren.
Tipp: Auch mit Spitzwegerich möglich. Er muss vor dem Mörsern gegen die Nervenfasern in kleine Streifen geschnitten werden. Nach Belieben mit Parmesan oder Sbrinz verfeinern. Passt auch zu Pasta.