Serie
Der Offline-Selbstversuch: Ohne Netz verloren im oberen Freiamt?

Die Vorgabe: Vier Tage zu Fuss unterwegs im Bezirk Muri, auf Nebenwegen und möglichst abseits der Zivilisation. Was es braucht, um im wilden Süden des Kantons Aargau «offline» zu überleben.

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Die Vorgabe ist klar: Vier Tage zu Fuss unterwegs im Bezirk Muri, auf Nebenwegen und möglichst abseits der Zivilisation. Vier Tage leben aus dem Rucksack, keine Beiz, keine Fahrt mit Fahrzeugen aller Art, das Nachtlager unter freiem Himmel, als einziges elektronisches Gerät ein Fotoapparat. Survival, also das Überleben in der freien Natur, und Digital Detox, der Entzug von Handy, Computer und Internet in einem.

Das Datum ist festgelegt, das Programm findet bei jedem Wetter statt. Wofür andere ein paar hundert Franken in einem Innerschweizer Tal oder ein paar Tausender am Yukon, Alaska, bezahlen, sollte im «wilden Süden» des Kantons Aargau, im relativ naturnahen Oberfreiamt, günstiger gehen.

Eigentlich nur mit Erlaubnis des Eigentümers

Das, was ich beabsichtige, ist nicht einfach so gestattet. Gemäss Schweizerischem Zivilgesetzbuch (Art. 699) besteht für Wald und Wiesen zwar ein Betretungsrecht, mehr aber nicht. «Einmal im Wald übernachten darf man, aber der Grundeigentümer muss einverstanden sein», sagt Erwin Jansen, Kreisförster Lenzburg-Freiamt. Nur: Ich habe nicht im Sinn, vor jeder Übernachtung ausfindig zu machen, wem das Waldstück gehört, in dem ich meine Hängematte montiere. Das Gleiche gilt für das Feuern. Ein Feuer machen ist erlaubt, aber der Grundeigentümer müsste sein Einverständnis geben. Man kann allerdings mit einer gewissen Grosszügigkeit der Waldbesitzer rechnen. «In der Regel tolerieren sie so ein Cervelat-Feuer», stellt Jansen fest. Wird ein Lager errichtet, das länger als zwei Wochen bestehen bleibt, wäre neben der Einwilligung des Grundbesitzers eine Baubewilligung nötig. (es)

Jedes Kilo eines zu viel

Einfach losmarschieren ist allerdings nichts. Die Vorbereitungen sind, zumindest für einen Überlebens-Neuling, ziemlich anspruchsvoll. Es gilt, einen Menüplan für sieben Hauptmahlzeiten zusammenzustellen und einzukaufen, Frühstück nicht inbegriffen. Gekocht wird auf dem flach zusammenklappbaren, sehr leichten Kocher Picogrill 239, der mit wenig Holz ganz viel Hitze bringt. Zum Schlafen dienen die Hängematte des Freiämters Lukas Schuler (www.hammocktent.com) und ein Schlafsack.

In den Rucksack kommen weiter eine Reihe von Kleinigkeiten wie Unterwäsche und T-Shirts, Regenjacke und WC-Papier, Heftpflaster und Zeckenspray, Zahnbürste und Ersatzbatterie für die Stirnlampe, Zündhölzer und Wasserflaschen, Büchsenöffner und Essbesteck. Und natürlich ein Buch – irgendetwas muss man «offline» schliesslich machen können. Das Ganze findet im Rucksack der Tochter Platz: Was auf Auslandreisen taugte, wird wohl auch für das Oberfreiamt reichen. Er wiegt vollgepackt 14 Kilo, ohne Trinkwasser, und wird mit jedem Tag etwas leichter. Jedes Kilo im Rucksack ist jedenfalls eines zu viel, wie ich beim Probetragen schnell spüre.

Noch ohne jede Ahnung

Die Route ist nicht genau festgelegt, orientiert sich aber entlang des Lindenbergs teilweise am Freiämterweg mit dem Versuch, möglichst abseits von baulichen Siedlungen oder Höfen. Keine Ahnung, wie lange und wie weit ich marschieren mag. Noch keine Vorstellung, wo ich die Hängematte für die Nacht zwischen zwei Bäume hängen werde. Noch keine Ahnung, wie es sich anfühlt, vier Tage allein zu sein und nur sich selber auszuhalten, ohne Mails, ohne die normalen Informationen, die einem per Internet um den Kopf fliegen, ohne Musik, ohne Google, wenn eine Frage auftaucht, die man gerne beantwortet haben möchte.

Keine Ahnung mehr, wie lange 24 Stunden sind, wenn man nicht wirklich etwas tun muss, nur eine leise Erinnerung aus längst vergangenen Kindertagen, als diese Tage ätzend lang waren.

Lesen Sie morgen, wo ich übernachtet habe und wie meine erste Nacht im Wald im Oberfreiamt war.