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Vor 75 Jahren starb Emil Suter, Leiter der Ausgrabungen in den Heidengräbern in Wohlen. Die Mannschaft rund um Suter fand neben einigen wenigen Lanzenspitzen Bronzegeschirr, bronzene Gewandfibel und Bronzeschmuck.
Vor dem Ersten Weltkrieg traten zwei Brüder in Wohlen eine Reise in die Hallstattzeit vor ungefähr 2500 Jahren an: Anton Wohler (1883-1947) und Leo Wohler (1886-1962). Anton Wohler gründete nach seiner Ausbildung im Hotelfach, die ihn ausserhalb der Schweiz nach London, Rom und Kairo führte, zusammen mit seinem Geschäftspartner die Hutfabrik Wohler & Gysin AG. Ebenfalls im Hotelfach war Leo Wohler tätig, bevor er 1923 als Nachfolger seines Vaters Armenpfleger der Gemeinde Wohlen wurde.
Im Familienkreis hörten die beiden Brüder Erzählungen von aufgedeckten Heidengräbern und geborgenen Hühnengestalten, von Lanzen und Speeren, Schmuckgegenständen und Münzen. «Da erwachte in uns ein unwiderstehlicher Drang, auch einmal nach verborgenen Schätzen zu suchen. In Gedanken waren wir bereits schon Besitzer eines kleinen Museums», schreiben Anton und Leo Wohler später. Zuerst begannen die beiden in der Menschenrüti im Gemeindebann von Niederwil zu graben, wo angeblich solche Reichtümer verborgen sein sollten. Der Erfolg war gering.
In der Kiesgrube des Menschenrütihügels richteten die beiden eine Küche ein und in einem unterirdischen Gewölbe die Vorratskammer für Äpfel, Kartoffeln und – nicht immer legal besorgte – Eier. Alle «Mühen und Arbeiten» seien leider erfolglos geblieben. Die beiden Laien mussten ihre Tätigkeit einstellen. So schnürten sie ihre Bündel, um draussen in der Welt ihr eigenes Brot zu verdienen, «bis der Ausbruch des unglückseligen (ersten) Weltkrieges die Rückkehr nach der Heimat gebot.»
Die vorgeschichtlichen Zeugen im Britischen Museum in London und in den Museen in Rom, aber auch die erfolgreichen Ausgrabungen in Ägypten, Libyen und Palästina und ein Aufsatz über die Waldgräber in Unterlunkhofen brachten die Brüder auf die Idee, in den «bekannten Erderhöhungen» im hinteren Hohbühlwald in Wohlen ihr Glück zu versuchen.
Dabei gingen sie nach eigenem Urteil nicht fachmännisch vor. Trotzdem fanden sie eine Schicht verbrannter Erde, darunter Stücke eines menschlichen Schädels und eine Urne. Sie zeigten die Fundgegenstände einem bekannten Forscher, der sie über ihre Herkunft informierte, aber auch warnte, weitere Grabungen vorzunehmen, bevor eine Bewilligung vorliege. Das war 1915. Anton und Leo Wohler schürften danach noch im Häsler, in der Nähe vom Hohbühl, wo sie Zeugen aus der Römerzeit fanden.
Nach einigen Jahren konnte Emil Suter, von 1904 bis 1940 Bezirkslehrer in Wohlen, dazu bewogen werden, sich der Sache anzunehmen. Suter gründete 1926 die Historische Gesellschaft Wohlen und Umgebung. Auf einer nun breiteren Basis erforschte er, unterstützt von Mitgliedern der Historischen Gesellschaft, von 1925 bis 1930 die Hallstattgräber.
Die Mannschaft rund um Suter fand neben einigen wenigen Lanzenspitzen Bronzegeschirr, bronzene Gewandfibel (eine Art Sicherheitsnadeln) und Bronzeschmuck. Die Hallstattmenschen scheinen schmuckbewusst gewesen zu sein, bemerkt der Historiker Jean-Jacques Siegrist in der Wohler Geschichte. Ein wohlhabendes Ehepaar der Epoche 800 bis 400 vor Christi Geburt dürfte laut Siegrist, mit den breiten Gürtelblechen, den wuchtigen Tonnenarmbändern, den Ohr-, Hals-, Arm-, Finger- und Fussringen, den Fibeln und den Anhängern einen «pittoresken Anblick» geboten haben.
Die Historische Gesellschaft Freiamt erwarb 1926 die Ausgrabungsrechte im grössten Teil des unteren Freiamts. Emil Suter fand für die Forschungen in Wohlen in Gustav Weber und Paul Suter arbeitsfreudige, exakte und verständige Arbeiter. Der Wohler Lehrer Alois Bucher sorgte für das leibliche Wohl der Mannschaft, baute im Hohbühl eine Strohhütte als Unterstand und erstellte von den Fundstücken Zeichnungen. Gelegentlich halfen bei den Ausgrabungen auch Anton und Leo Wohler, Alfred Dubler und einige Knaben mit.
Über die Grabungsarbeiten berichtete Emil Suter auch in der von ihm redigierten Jahresschrift der Gesellschaft, «Unsere Heimat».
Im Freiamt drängen sich zahlreiche Grabhügel aus der Hallstattzeit zusammen. Nirgendwo im Aargau ist die Dichte so gross. Die einen der Hallstattmenschen waren Halbnomaden, die ihre Wohnplätze gewechselt hätten, vermutet der Autor eines Artikels, den die Aargauische Historische Gesellschaft 1932 publizierte.
Der andere Teil blieb als sesshafte Bauern in ihrer Talschaft, wo sie Ackerbau und Viehzucht betrieben. Sie ernährten sich, wie Grabbeigaben bezeugen, von Schafen, Schweinen und Rindern, dazu von «allerhand Wildobst und Eicheln». Der Honig diente als Nahrungsmittel, aber auch zur Zubereitung von Bier. In einem Grab im Hohbühl fand man auch einen Kinderschädel, dem der Unterkiefer fehlte und an dem das Schädeldach arg zertrümmert war. Das Alter wurde schätzungsweise auf fünf bis sechs Jahre festgelegt. Das Geschlecht des Kindes konnte aber nicht mit Sicherheit bestimmt werden.
Emil Suter beschäftigte sich vor den prähistorischen Ausgrabungen intensiv mit der Ornithologie, gründete den Ornithologischen Verein Wohlen und den Obstbauverein Wohlen und half mit, Naturschutzgebiete in Ottenbach, Fischbach-Göslikon und im Maschwander Ried zu schaffen. Vor und nach dem Rücktritt aus dem Schuldienst, 1940, arbeitete er an einer auf vier Bände angelegte Heimatkunde von Wohlen und dem Freiamt. Der erste Teil, die Sammlung über die Flurnamen der Gemeinde Wohlen, erschien 1934.
Eine Krankheit hinderte Emil Suter daran, die Heimatkunde und ein Hilfswörterbuch für Heimatforscher zu vollenden. Eine grosse Anzahl von kleineren oder grösseren Artikeln in 18 Bänden der Jahresschrift «Unsere Heimat» zeugen von seiner vielseitigen Arbeit des 1944 verstorbenen Mannes.
Die Sammlung der Funde von Wohlen wurde fachkundig katalogisiert und vorerst im Bezirksschulhaus Wohlen ausgestellt. Dann kam sie in die Kantonsarchäologie in Brugg. Einen Teil der Sammlung kann man im Museum Burghalde in Lenzburg besichtigen.