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Der Buttwiler David Meier hat als Hellebardier der Schweizergarde am 6. Mai seinen Treueschwur geleistet. Im Interview spricht er über seine Gedanken, seinen Tagesablauf und wie sich das christliche Gebot der Nächsten- und Feindesliebe mit dem bewaffneten Dienst als Soldat vereinbaren lässt.
Hellebardier David Meier ist in seinem Heimatdorf besser bekannt als «de Sohn vom Chäser». Aufgewachsen ist er nämlich in Buttwil als ältestes der vier Kinder von Tamara und Beat Meier, dem Ehepaar, das hoch über dem Freiamt den Familienbetrieb «Käserei Berglinde» führt. Der 22-Jährige hat nach seinem kaufmännischen Diplom noch den Passerellenlehrgang zum Erwerb der Matura gemacht und hat dann seinen Militärdienst als Infanteriedurchdiener im Schulkommando Aarau geleistet. Als langjähriger Ministrant, Lektor und Kommunionhelfer in der Pfarrei Muri lag da der anschliessende Weg in die Schweizergarde vielleicht auf der Hand. Fakt ist, dass Meier dieses Jahr der einzige Freiämter, ja sogar Aargauer, war, der seinen Eid auf die Gardefahne abgelegt hat.
David Meier: Als der Kommandant und der Kaplan ihre Reden hielten, da war ich noch nervös und sehr müde, weil in den vergangenen Tagen noch so viel zu tun und zu erledigen gewesen war. Ich musste ein paarmal zu Maria beten, aber als ich auf die Fahne zuging, war ich parat.
Ich glaube, ich habe geschmunzelt auf dem Rückweg. Es war eine riesige Erleichterung. Ich habe es genossen, den Schwur abzulegen. Die Nervosität war weg, unsere Banda hat gespielt, und ich fühlte mich einfach nur zufrieden.
Der Lohn entspricht zwar nicht Schweizer Massstäben, aber Unterkunft, Krankenkasse und Versicherung werden bezahlt, so lässt sich gut davon leben. Gebunden ist man ja auch in der Schweiz an Beruf, Familie und Umfeld. Ich finde, es ist wichtig, dass man mit der Arbeit, die man macht, zufrieden und glücklich ist, sich mit ihr identifizieren kann. Ich habe mich deshalb für den Dienst an Papst Franziskus entschieden. Es ist mehr als eine einfache Arbeit – man steht im Dienst des Heiligen Vaters. Zudem habe ich kein Problem mit militärischen Umgangsformen. Als Durchdiener habe ich bereits meine 300 Pflichttage in der Schweizer Armee absolviert. Ich habe den zwar strengen, aber effizienten militärischen Betrieb schätzen gelernt. Hier in Rom wird zusätzlich beim Exerzieren auf absolute Präzision getrimmt. Es ist ein willkommener Ansporn, bei den besten Ehrenformationen der Welt mitmischen zu wollen.
Das ist eine sehr vielschichtige Frage. Ein guter Gardist ist auch ein guter Katholik und ein guter Christ. In diesem Sinne versuchen wir natürlich stets, die Gebote zu halten, die uns durch die Bibel und die Kirche vermittelt werden. Die Garde ist zudem eine Armee mit klarem Auftrag. Dieser Auftrag besteht in erster Linie darin, den Heiligen Vater als seine Leibgarde zu schützen und ihn zu repräsentieren. Aus diesen Gründen haben wir kein Interesse daran, andere Staaten anzugreifen oder irgendwelche Personen zu verletzen. Wir setzen unsere Waffen nur im grössten Notfall und lediglich zur Verteidigung und zum Schutz des Papstes ein.
Jeder, der nach Rom kommt, um Gardist zu werden, sollte sich mit Kirche und Katholizismus identifizieren können. Dies ist aber keine ausschliessliche Voraussetzung, man muss allerdings getauft und katholisch sein. Ein Bezug vereinfacht den Einstieg hier in Rom aber ungemein, denn wir verrichten hier nicht eine einfache Arbeit, wir leisten einen Dienst am Pontifex Maximus, am obersten Brückenbauer der Kirche und in vielerlei Hinsicht auch der Welt. Wer dies nicht erkennt und wem Glaube und Kirche nichts bedeuten, der hat es schwer hier in der Garde. Wie soll ich den Glauben, die Kirche und den Papst verteidigen, wenn ich nicht dahinterstehen kann?
Was mich besonders fasziniert, ist die Präzision, mit der wir Schweizergardisten exerzieren. Damit die Abläufe und Bewegungen, wie etwa das Schultern, das Aufwerfen der Hellebarde, richtig funktionieren, braucht es viel Übung. Auch haben wir eine fundierte Schiessausbildung an der Pistole sowie eine gute Ausbildung in Selbstverteidigung erhalten. Wir waren für vier Wochen in Isone im Tessin und haben dort gelernt, in Extremsituationen schnell und richtig zu reagieren. Dann besuchen wir regelmässig Italienischkurse, was einem nicht nur für den Dienst, sondern auch für das alltägliche Leben hier in Rom von Nutzen ist.
Man lernt, geduldig zu sein. Manchmal steht man für mehrere Stunden auf einem Posten, ohne dass viel passiert. Da kann man sich alles überlegen, wofür man sonst vermeintlich nie Zeit hat. Ausserdem sind wir ein bunt zusammengemischter Haufen. Dass es da zu Reibereien mit Kameraden kommt, ist völlig normal. Diese Situationen auszuhalten und Konflikte konstruktiv auszutragen, ist sicherlich eine wichtige Schulung für das Leben.
Das hängt davon ab, welche Schicht man hat. Entweder am Morgen und am Abend, am Nachmittag oder in der Nacht – na ja, der Papst will ja rund um die Uhr bewacht sein. Dazu gehören Wachen innerhalb des Vatikans, die durch Hellebardiere besetzt werden, aber auch die berühmten Schildwachen, das sind die unbeweglichen Wachen mit der Hellebarde an den Eingängen zum Vatikanstaat. Man leistet auch häufig Ehrendienste. Das sind Dienste während Audienzen, Messen und Staatsempfängen, denen der Heilige Vater vorsteht.
Ich sehe ihn sicherlich jede Woche irgendwo, meistens aber nur aus grösserer Distanz. Wenn ich aber zur richtigen Zeit am richtigen Ort im Dienst bin, dann kann es schon auch mal vorkommen, dass er mir die Hand gibt und mich kurz grüsst. Er legt in dieser Hinsicht nicht viel Wert auf das vatikanische Protokoll und ist sehr unkompliziert, was solche Momente sehr persönlich und unvergesslich macht.
Ich bin davon überzeugt, dass der Papst als Lenker aller Gläubigen absolut schützenswert ist. Die Diplomatie des Heiligen Stuhls ist wohl die einflussreichste der Welt und ausschliesslich auf das Wohl der Menschen bedacht. Daneben gehören über 1,3 Milliarden Menschen der römisch-katholischen Kirche an. Wenn nur einige Millionen von ihnen auf seine Worte, die beispielsweise zum Frieden und zum Respekt gegenüber der Natur aufrufen, hören, dann kann dies enorm viel zur Verbesserung der Welt beitragen. Wir unterstützen ihn bei diesem moralischen Auftrag in der Welt. Wir repräsentieren ihn an Staatsempfängen und ermöglichen ihm durch unseren Schutz den direkten Kontakt mit den Menschen in Rom, aber auch ausserhalb. Von daher gesehen bin ich mir sicher, dass sich der Einsatz lohnt.
Ich weiss nicht, ob ich mich für andere Personen mit der gleichen Entschlossenheit opfern würde. Aber ja, ich würde mich nach Kräften mit meinem Leben für das Anderer einsetzen.
Ich vermute, das hängt mit der zunehmenden Säkularisierung zusammen. Glaube, Frömmigkeit und Kirche sind nicht mehr so deutlich sichtbar und gesellschaftlich akzeptiert wie früher. Dass sich ein junger Mann, ohne diesen Rückhalt, nicht für die Garde entscheidet, kann ich nachvollziehen. Es gehören zwar viele noch zur katholischen Kirche, entfernen sich aber mehr und mehr von der aktiven Teilnahme am Gemeindeleben. So hören sie vielleicht gar nie von der Garde und können sie als Option also nicht in Erwägung ziehen. Kommt hinzu, dass die Kirche in jüngster Zeit von den Missbrauchsskandalen sehr erschüttert wurde. Dass man sich da für die Kirche einsetzt und dabei auch zu unterscheiden vermag zwischen der Institution und den Fehlern, die die Menschen in dieser Institution begangen haben, das ist nicht mehr selbstverständlich.
Als Ganzes stellt der Aargau immer noch am drittmeisten Gardisten nach dem Wallis und dem Kanton Fribourg. Aktuell sind wir zehn Aargauer in der Garde, drei davon sind Freiämter. Der Bestand der Garde ist momentan stabil. Es wäre aber schon wünschenswert, dass wir das angestrebte Total von 135 Mann bald erreichten, denn dies würde uns Gardisten vor allem vom Arbeitspensum her entlasten.
Ich werde, wie bereits vorher, weiter meinen Dienst hier in Rom verrichten. Mit der Zeit muss man mehr wissen, kann aber auch selber Postenchef sein und in dieser Funktion mehr Verantwortung übernehmen. Dies ist sicherlich eines meiner nächsten Ziele.