Winterschwil
Blumenwiese statt Steinwüste: Wo sogar wilde Orchideen wachsen

Andrea Weibel
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Astrid Gerberts Magerwiese in Winterschwil
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Bienen-Ragwurz auf der Magerwiese.
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Astrid Gerberts Magerwiese in Winterschwil

Andrea Weibel

Winterschwil ist an sich schon ein idyllischer kleiner Fleck, der einen an Ferien denken lässt. Doch der gewundene Weg, der unter Bäumen entlang und an unzähligen Wildblumen vorbei zum Haus hinaufführt, in dem Astrid Gebert und ihr Mann seit bald 30 Jahren wohnen, versetzt einen in ein Märchen. Wer genau hinschaut, erkennt gar äusserst seltene Pflanzen: Dieses Jahr hat sie bisher zwei wilde Orchideenarten entdeckt. «Eines könnte eine Bienen-Ragwurz sein, die ist äusserst selten. Das andere ist ein geflecktes Knabenkraut», freut sich Gebert.

«So viele Leute staunen, wenn sie hier sind», sagt sie. «Es ist genau so, wie wenn sie in den Bergen oder in tropischen Ländern sind: Sie staunen und erfreuen sich an der unglaublichen Naturvielfalt. Sie machen sogar Fotos.» Ratlos zuckt Gebert mit den Schultern: «Das könnten sie daheim auch haben, stattdessen betonieren sie selbst die letzte Grünfläche zu oder legen Steinwüsten an, die im Sommer so heiss werden, dass nichts mehr darauf leben kann.» Seit vielen Jahren versucht Gebert, die Leute und auch Gemeinderäte oder Firmen darauf anzusprechen, wenn Neues geplant wird. Teilweise hatte sie schon grossen Erfolg. Denn ihre zwei Hauptargumente sind einleuchtend: «Einerseits sind Magerwiesen das Beste, was man für die Natur tun kann, und andererseits hat man viel weniger Arbeit und finanziellen Aufwand als mit jeder anderen Gartenform.»

Kies, Sand, Samen, fertig

Als das Ehepaar 1993 von Muri nach Winterschwil zog, haben sie gleich den Humus in die alten Güllegruben gestossen und mageren Boden aufbringen lassen. «In Muri wurde damals ein neues Schulhaus gebaut, und der Boden hätte zur Deponie gebracht werden sollen. Da fragte ich an, ob es nicht möglich wäre, dass wir den bekommen. Es war möglich», freut sie sich. Es sei am einfachsten, gleich beim Hausbau über mageren Boden nachzudenken, denn ist erst einmal eine dicke Humusschicht drauf, braucht es längere Zeit, um den Boden wieder mager zu bekommen. «Aber wenn man sich sowieso überlegt, Arbeiten machen zu lassen, weil man mit einer Rabatte oder einem Gartenstück zu viel Arbeit hat oder es einem nicht gefällt, dann sollte man sich auch die Alternative Magerwiese durch den Kopf gehen lassen», sagt Gebert.

Tipps für den Garten

Die Vogelwarte Sempach schreibt: «Exotische Pflanzen sind für die einheimische Fauna meist nutzlos. Ein kurzgeschnittener, gedüngter Rasen ist sehr artenarm, das Fehlen von blühenden Pflanzen macht ihn für viele Insekten wertlos. Betonmauern und versiegelte Flächen sind Barrieren und bieten keinen Lebensraum für Tiere.» Auf Merkblättern sind weitere Tipps zu finden. Zudem sollte natürlich auf Gifte, aber auch auf Rasenmähroboter verzichtet werden, da sie kleine Igel, Blindschleichen und andere Tiere töten können. (aw)

Grundsätzlich sei es ganz einfach, führt sie aus: Kies und Sand oder direkt mageren Rohboden auf die Oberfläche aufbringen und Magerwiesensamen streuen, die überall erhältlich sind. Danach muss man nur noch abwarten. «Und zweimal pro Jahr mähen», fügt Gebert hinzu. «Das klingt nach Aufwand, aber auch bei Steingärten muss man immer wieder Unkraut jäten oder es gar mit Gift bekämpfen, das ist nicht weniger Arbeit», so Gebert.

Jeder kann etwas tun

Doch was ist denn so besonders an Magerwiesen? Abgesehen davon, dass sie wenig zu tun geben. «Magerwiesen sind Lebensraum von bis zu 30 Prozent der einheimischen Pflanzenarten», erklärt Gebert, die an der Fachhochschule unter anderem Ökologie unterrichtet. «Für die Biodiversität kann jeder einzelne Gartenbesitzer ganz einfach etwas tun. Auch Gemeinden und Firmen können leicht dazu beitragen, wenn sie Rabatten, Wegränder, Borde oder Restflächen nicht ständig mähen, sondern blühen lassen. Villmergen und Wohlen haben dazu tolle Projekte lanciert. Manchmal bin ich einfach so frech und frage bei Gemeinden, Firmen oder Privaten an.» Einwände, die diese dann bringen, seien oft, dass es ungepflegt aussehe oder dass man das Heu anschliessend nicht loswerde. «Aber ich weiss aus Erfahrung, dass es überall Tierhalter gibt, die das Heu gerne übernehmen, man muss nur ein wenig herumfragen.» Und wer denke, es sehe ungepflegt aus, den lädt Gebert direkt nach Winterschwil ein. «Wir haben verschiedene Rasenmäherwege durch die Wiesen angelegt, die wir immer wieder leicht versetzen. So können nicht nur Tiere und Pflanzen, sondern auch wir die Fläche nutzen und uns an den unzähligen wilden Pflanzen erfreuen.»