Ein 53-jähriger Deutscher stand diese Woche vor Gericht. Er soll unter anderem ein Nacktfoto seines jungen Liebhabers in den Gemeindebriefkasten geworfen haben. Pornografie, so der Vorwurf. An der Verhandlung kam es dann aber anders als gedacht.
Es war ein Prozessende, das in dieser Art wohl auch Peter Thurnherr in seiner langjährigen Tätigkeit am Bezirksgericht Bremgarten noch nie erlebt hat. Diese Woche hatte der Gerichtspräsident über den Fall des 53-jährigen Deutschen Joachim (Name geändert) zu urteilen. Beziehungsweise das hätte er. Denn zu urteilen gab es letztlich nichts.
Vorgeworfen wurde dem Lastwagenchauffeur, dass er seinen damaligen Liebhaber, der rund 30 Jahre jünger ist und mit dem er zusammen wohnte, mehrfach genötigt haben soll, etwas zu tun oder zu unterlassen. «Letzte Chance» oder «Eine Stunde geb ich dir noch» habe Joachim ihm per Whatsapp geschrieben.
Worum es allerdings dabei ging, wird in der Anklageschrift nicht ersichtlich. Damit habe Joachim seinen Freund, der als Zivil- und Strafkläger vor Gericht auftrat. aber derart eingeschüchtert, dass er die Wohnung nicht verlassen konnte.
Zu einer Tätlichkeit soll es dann anlässlich eines Streits in der damals noch gemeinsamen Wohnung gekommen sein. Joachim habe seinen Geliebten an der Nase gepackt und herumgeschüttelt. Dann soll er mit einer Hand an den beiden Enden des Schals des Opfers gezogen haben, worauf sich dieser zuschnürte. Verletzungen trug das Opfer nicht davon.
Auch soll Joachim gegenüber den Eltern seines Liebhabers ehrverletzende Äusserungen ausgesprochen respektive geschrieben haben:
«Hoffentlich erstickt dein Vater an dem Wein, weil er es nicht für nötig gehalten hat, dir Anstand beizubringen.»
Und noch viel Schlimmeres soll er geäussert haben. Seinen Ex-Partner soll er nach Beziehungsende dann per Whatsapp immer wieder als «Stricher», «Schlampe» und «Kinderschänder» beschimpft haben.
Und eines Nachts soll er ein Nacktfoto seines ehemaligen Liebhabers in den Briefkasten der Gemeindekanzlei in dessen neuer Wohngemeinde im Bezirk Lenzburg geworfen haben. Der Gemeindeschreiber fand dieses am nächsten Morgen.
Wegen mehrfacher, teilweise versuchter Nötigung, mehrfacher übler Nachrede, mehrfacher Beschimpfung, Pornografie und Tätlichkeiten forderte die Staatsanwaltschaft eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 50 Franken, also total 4500 Franken, und eine Busse von 1100 Franken. Gegen den Strafbefehl hatte Joachim Einsprache gemacht.
Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung weiterverbreitet, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bestraft.
Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.
Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1 (pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art) öffentlich ausstellt oder zeigt oder sie sonst jemandem unaufgefordert anbietet, wird mit Busse bestraft.
Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.
Quellen: Anklageschrift, Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB)
Vor Gericht rechtfertigen konnte sich Joachim aber letztlich nicht. Denn zu Prozessbeginn um 8 Uhr war nur das Opfer vor Ort, von Joachim und seinem Anwalt fehlte jede Spur. Als Gerichtspräsident Thurnherr die Verhandlung bereits wieder schliessen wollte, klopfte es an der Verbindungstür zur Gerichtskanzlei. «Der Beschuldigte ist jetzt da», sagte die Gerichtssekretärin. «Aber er will keine Maske tragen.» Verdutzt blickten sich Thurnherr und der Gerichtsschreiber an. Der Gerichtspräsident erhob sich, um das Gespräch mit dem Maskenverweigerer zu suchen.
Wenig später kam er zurück in den Gerichtssaal und sagte:
«Fürs Protokoll: Der Beschuldigte weigert sich vehement dagegen, eine Maske zu tragen. Ich habe ihn deshalb des Hauses verwiesen. Er gilt damit als säumig.»
Sein Nicht-Einlenken wird Joachim teuer zu stehen kommen. Denn, so erklärte Thurnherr: «Bei Säumigkeit des Einsprechers erwächst der Strafbefehl in Rechtskraft.» Joachim wird also die von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafe bekommen – und auch die Gerichtskosten übernehmen müssen. Und das, ohne den Gerichtssaal überhaupt betreten zu haben.