Bezirksgericht Bremgarten
Freiämter beschuldigte Sozialdienstleiter des Kindsmissbrauchs: Zehn Jahre später erhält er nun seine Strafe

Vor den Schranken des Bezirksgerichts stand ein Mann, der einen Leiter der sozialen Dienste einer Freiämter Gemeinde der sexuellen Nötigung und des Kindesmissbrauchs bezichtigte. Weil der psychisch angeschlagene Mann jahrelang untergetaucht war, fand die Verhandlung erst zehn Jahre nach der Tat statt.

Nathalie Wolgensinger
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Vor den Schranken des Bezirksgerichts stand ein 41-Jähriger, der einen Leiter Soziale Dienste unter anderem des Sozialhilfebetrugs bezichtigte.

Vor den Schranken des Bezirksgerichts stand ein 41-Jähriger, der einen Leiter Soziale Dienste unter anderem des Sozialhilfebetrugs bezichtigte.

Marc Ribolla

Das E-Mail, das im Juli 2012 mit dem Betreff «Sex beim Sozialamt» bei den sozialen Diensten einer Freiämter Gemeinde eintraf, hatte es in sich. Darin wurde der Leiter der Sozialen Dienste, Marcel (alle Namen geändert), bezichtigt, er hätte Sozialhilfebezügerin Lorena für Geschlechtsverkehr bezahlt. Zudem habe er sie zum Alimenten- und Sozialhilfebetrug angestiftet und ihr obendrauf bei einer Kindesentführung geholfen.

Happige Vorwürfe, die damals hohe Wellen schlugen. Beim Urheber dieser Anschuldigungen handelte es sich um Konrad, den ehemaligen Lebenspartner von Lorena und Vater der gemeinsamen Tochter. Der heute 41-Jährige liess es nicht dabei bewenden. Wie sich im Verlauf der Verhandlung herausstellte, bedrohte er den Leiter der Sozialen Dienste aufs Übelste, beispielsweise damit, «dass er draufgehen würde».

Konrad setzte sich ins Ausland ab

Zehn Jahre später trafen sich die beiden Parteien vor dem Bezirksgericht Bremgarten unter dem Vorsitz von Corinne Moser wieder. Diese erklärte einleitend, weshalb es zehn Jahre gedauert hat, bis man Konrad anklagen konnte: Er lebte die vergangenen Jahre im Ausland und konnte nicht belangt werden.

Seit geraumer Zeit lebt er nun aber wieder in der Schweiz, aktuell in einer universitären Psychiatrischen Klinik. Vor Gericht erschien er mit Kamera und Mikrofon, verweigerte jedoch die Aussage. Während der Gerichtspause verriet er, dass er im Auftrag der amerikanischen Talkmasterin Oprah Winfrey arbeite.

Die Staatsanwältin beantragte eine Geldstrafe von 160 Tagessätzen à 30 Franken bedingt auf zwei Jahre. Abzüglich der 160 Tage, die er bereits in Untersuchungshaft gesessen hat, reduziert sich die Strafe auf 0 Franken. Dass Konrad von April bis September 2013 in Untersuchungshaft sass, war nicht ganz unverschuldet, denn er machte längere Zeit keine Aussage zur Sache.

Eine Genugtuung von 32'200 Franken für das erlittene Leid?

Marcels Rechtsanwalt schilderte in drastischen Worten die Situation seines Mandanten: Er habe sich an Leib und Leben bedroht gefühlt und fürchtete aufgrund dieser Unterstellungen massiv um seine berufliche Existenz. Er forderte im Namen seines Mandanten eine Genugtuung von 1000 Franken, die an eine soziale Institution gespendet werden sollte.

Konrads Anwalt verlangte in seinem langen und ausführlichen Plädoyer, dass man sich ausschliesslich auf das E-Mail und dessen Inhalt beschränken und alle weiteren Vorfälle in dieser Sache unbeachtet lassen solle.

Die zur Anzeige gebrachten Taten füllten mehrere Bundesordner. Die meisten waren verjährt. Überhaupt, so Konrads Anwalt, habe die Staatsanwaltschaft geschlampt, es sei weder erwiesen, dass er der Urheber des Mails sei, noch, dass er es abgeschickt habe.

Zudem habe sein Mandant während der Untersuchungshaft enorm gelitten und sich Sorgen um seine Tochter gemacht. Für das erlittene menschliche Leid forderte er im Namen seines Mandanten eine Genugtuung von 32'200 Franken. Marcels Verteidiger hielt dem entgegen, dass Konrad die Aussage verweigert und damit die Haft unnötig verlängert habe. Zudem seien wegen der langen Verfahrensdauer die meisten der angeklagten Strafhandlungen eingestellt worden.

Konrad nahm das Urteil reglos zur Kenntnis

Corinne Moser sprach Konrad der falschen Anschuldigung schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 30 Franken, wobei ihm die Untersuchungshaft angerechnet wird. Die Strafe sprach sie bedingt auf eine Probezeit von 2 Jahren aus. Die Parteientschädigung setzte sie auf 1500 Franken an.

Die Zivilforderung des Strafklägers wies sie ab. Für sie sei es erwiesen, dass Konrad Urheber des Mails sei, dies ergäbe sich deutlich aus den Akten. Die Zweifel, die Konrads Anwalt vorbrachte, dass sein Mandant wegen seinen psychischen Problemen nicht vollumfänglich schuldfähig sei, wies sie ab.

Konrad habe sich damals in einer schwierigen Lebenssituation befunden, dies habe ihn aber nicht zu diesem Handeln berechtigt. Die Verfahrenskosten muss Konrad selber tragen. Dieser nahm das Urteil ohne Regung zur Kenntnis.