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Auch in der Wohler Bleichi fand am Freitag ein Frauenstreik-Zmittag – bevor die meisten Frauen wieder arbeiten gingen.
«Wir schreiben heute Geschichte», sagte Mia Gujer gestern in der Bleichi Wohlen. Die Vize-Präsidentin der SP-Frauen Aargau freute sich, dass zwei der aufgestellten Tische mit streikenden Frauen und solidarischen Männern voll waren. «Zusammen mit uns streiken 100'000 Frauen in der ganzen Schweiz. Das ist toll, aber eben doch nicht», sagte die 24-Jährige. Sie sprach darauf an, dass vor genau 28 Jahren eine halbe Million Frauen im ganzen Land gestreikt und Forderungen vorgetragen haben – diese aber im Sand verlaufen sind. Sie zählte eine ganze Liste von Forderungen auf, beginnend beim Mutterschutz und dem viel zu teuren Kinderbetreuungssystem über all die Arbeit, die Frauen unentgeltlich leisten, bis hin zur AHV, da Frauen im Rentenalter durchschnittlich viel weniger Geld zur Verfügung hätten als die Männer.»
«Aber Forderungen allein reichen nicht, sie müssen auch umgesetzt werden», sagte sie zum Schluss. «Und dafür sind unsere Parlamente zuständig – die ebenfalls zum Grossteil aus Männern bestehen.» Am 20. Oktober sind Nationalratswahlen: «Zeit, die Verhältnisse umzukehren! Ich will in 28 Jahren nicht nochmals die gleiche Rede halten müssen», schloss Gujer ihre Rede und erntete viel Applaus von den anwesenden Frauen und Männern.
Die meisten der Tische und Bänke in der Wohler Bleichi blieben am Frauenstreik-Mittagessen, das Sandro Covo, Präsident der Juso Aargau und der SP Bezirk Bremgarten, organisiert hatte, jedoch leer. Was sagt das über eine so grosse Gemeinde wie Wohlen und das Freiamt aus? Mia Gujer ist nicht enttäuscht: «Ich finde es toll, dass überhaupt so viele gekommen sind. Der Aargau ist ein eher bürgerlicher Kanton. Und es streiken nicht alle Frauen gleich. Einige sind vielleicht bereits nach Aarau gegangen, andere können bei der Arbeit nicht fehlen, aber machen vielleicht einfach eine längere Kaffeepause oder überlassen heute ihren Männern die Aufsicht über die Kinder. Ich freue mich über alle, die beim Frauenstreik mitmachen, jede eben auf ihre Art.» Doch warum wurde die Veranstaltung in Wohlen denn von einem Mann organisiert? «50 Prozent der Bevölkerung sind Frauen, die anderen 50 Prozent sind aber Männer», hält Gujer lächelnd fest. «Ich finde es schön, wenn auch sie sich für unsere Rechte einsetzen und am Streiktag helfen.»
Auch Juso-Vizepräsidentin Lara Hitz wandte sich an die Frauen in Wohlen. Sie zeigte auf, weshalb sie traurig und wütend, jedoch auch hoffnungsvoll ist. Sie erzählte, wie einige männliche Grossratsmitglieder gebuht hätten, als Hitz und andere Frauen letzte Woche ein Transparent zum Frauenstreiktag aufgehängt hätten. Das machte sie traurig und wütend. Doch die Solidarität all der Streikerinnen und solidarischen Streiker machten sie hoffnungsvoll. «Ich hoffe, dass die Solidarität zwischen den Streikenden am heutigen Tag auch in Zukunft beibehalten wird», sagte sie und forderte alle auf, draussen mit Farben und Stoff weitere Transparente zu basteln. Um 14.46 Uhr würden alle, die konnten und wollten, gemeinsam mit dem Zug von Wohlen nach Aarau fahren, um dort am Sitzstreik teilzunehmen.
Die meisten der Teilnehmerinnen standen jedoch gleich nach dem Mittagessen auf – sie mussten arbeiten. «Ich will ein Zeichen setzen, mir sind die Gleichstellung der Frauen und vor allem eben die Chancengleichheit der Frauen in allen Lebenslagen wichtig. Darum bin ich hier. Ich werde nachher im Büro an die anderen in Aarau denken», sagte eine Teilnehmerin, bevor sie ihre Tasche packte und ging. Die Organisatoren finden das absolut in Ordnung. Jede streike auf ihre Art.
(von Simon Kuhn)