Auch wenn die CVP einen Einbruch erlebte, Esther Egger ist nach wie vor überzeugt, dass ihre Partei «gute und wichtige» Arbeit leistet. Die abgewählte CVP-Nationalrätin muss sich nun neu orientieren.
«Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich hätte mich schon vom Schock erholt», sagt CVP-Nationalrätin Esther Egger. «Ich muss jetzt schon noch zu mir finden und das Ganze verarbeiten.» Als einzige bisherige Nationalrätin ist die Kirchdorferin am Sonntag abgewählt worden. Und dies, obwohl sie mit 32227 Stimmen ein sehr gutes Resultat erzielt hatte. «Dass die CVP gleich zwei Sitze verlieren würde, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet», erklärt Esther Egger.
«Es traf mich völlig unvorbereitet, obwohl Wahlen ja immer eine gewisse Unsicherheit beinhalten.» Sie habe zwar durchaus Konkurrenz erwartet, aber «von hinten» – in der Person von CVP-Kollege Kurt Schmid, der mit seiner Ständeratskandidatur und seiner Funktion als Gemeindeammann von Lengnau sowie als Präsident des Gewerbeverbands doch recht bekannt sei. «Aber im Laufe des Tages hat sich abgezeichnet, dass ich in beinahe allen Bezirken besser abschnitt; deshalb fühlte ich mich recht sicher», blickt Esther Egger zurück. «Als dann als Letztes das gute Resultat aus dem Bezirk Baden feststand, dachte ich: «Jawohl, es reicht!»
So war Esther Eggers Welt am Wahlsonntag bis kurz vor 17.30 Uhr absolut in Ordnung. Sie kam relativ spät nach Aarau, direkt von einer Geburtstagsfeier bei Freunden. «Gerade als ich das Grossratsgebäude betrat, kam heraus, dass die CVP zwei Sitze verloren hat. Es war mir sofort klar, dass es mich getroffen hatte.»
«Ich habe alles gegeben»
«Unglaublich viele tröstende und mitfühlende Anrufe von Freunden sowie Mails und SMS von Bekannten und Unbekannten habe sie seither erhalten», erzählt Esther Egger am Tag nach dem grossen Tiefschlag. Und ergänzt: «Es gab allerdings auch zwei, drei böse und schadenfreudige Kommentare, aber als Politikerin lernt man zu leben mit solchen Dingen.»
Empfindet sie die Nichtwahl als persönliche Niederlage? «Ganz rational gesehen weiss ich, dass es an der Konstellation lag, dass es die Partei ist, die verloren hat, und dass ich selbst ein gutes Resultat erzielt habe. Ich bin all den Wählerinnen und Wählern dankbar, die mir das Vertrauen geschenkt haben.» Aber da melde sich eben auch ihre andere, selbstkritische Seite. «Ich suche die Fehler immer auch bei mir selbst; ich frage mich: Was habe ich falsch gemacht, wo hätte ich noch mehr, noch besser arbeiten müssen? Sicher ist für mich, dass ich in meiner gesamten politischen Laufbahn sehr viel erreicht habe. Sei dies in der Gemeindepolitik, aber auch als Fraktionspräsidentin im Grossen Rat und als dessen Präsidentin.»
Was den Wahlkampf angehe, könne sie sich keine Vorwürfe machen. «Ich habe alles gegeben und wir hatten eine tolle Wahlkampfzeit.» Eine mögliche Schwäche macht sie aus: «Vielleicht habe ich meine politische Arbeit zu wenig gut verkauft; Finanzpolitik ist eben nicht so medien- und publikumswirksam, auch wenn sie äusserst wichtig ist.» Als pragmatische Sachpolitikerin habe sie sich mit Themen befasst, die sich weniger für Schlagzeilen eignen würden. «Jetzt frage ich mich natürlich auch: Hätte ich mich auf andere Themen konzentrieren sollen? Im Moment finde ich noch keine Antwort darauf.»
«Immer mit vollem Engagement»
Schmerzlich ist es so oder so: Für Esther Egger gibt es keine zweite Legislatur in Bern. «Ich habe die zwar anspruchsvolle, aber spannende Arbeit als Nationalrätin wirklich sehr gerne und immer mit vollem Engagement gemacht», sagt sie. «Diese Arbeit und das Umfeld in Bern werden mir fehlen, zumal ich in den letzten vier Jahren thematisch richtig Fuss gefasst und mir ein gutes Netzwerk aufgebaut habe.» Die Enttäuschung ist wieder verstärkt zu spüren, als die CVP-Politikerin festhält: «Insgesamt 20 Jahre lang habe ich im Kanton und für den Kanton politische Arbeit geleistet, ich habe bewiesen, dass ich mich mit 100-prozentigem Einsatz für die Allgemeinheit einsetze.»
Blick nach vorn
Als Nationalrätin habe sie sieben Tage in der Woche gearbeitet. «Darunter hat das Privatleben stark gelitten», räumt Esther Egger ein. «Familie und Freunde kamen zu kurz – jetzt bieten sich da wieder ganz neue Perspektiven.» Vielleicht werde sie auch wieder beginnen, Musik zu machen. Mit Gewissheit aber werde sie, zumindest vorläufig, ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten – etwa beim Aargauer Symphonie-Orchester, als Vizepräsidentin des Spitexverbands oder als Präsidentin der Oper Schloss Hallwyl – weiterführen; ausgerüstet mit bedeutend mehr Zeitressourcen als in den letzten vier Jahren.
Auch wenn die CVP einen Einbruch erlebte, Esther Egger ist nach wie vor überzeugt, dass ihre Partei «gute und wichtige» Arbeit leistet. Was hingegen ihre eigene parteipolitische Situation angehe, müsse sie sich nun neu orientieren. «Politisch werde ich immer aktiv sein», ist Esther Egger überzeugt. «Denn grundsätzlich hat jedes gesellschaftliche Engagement auch einen politischen Aspekt.» Zuerst aber gönnt sich Esther Egger gemeinsam mit ihrem Mann am nächsten Wochenende zwei ruhige Tage. Danach wird sie – auch wenn es nicht gerade leicht sein dürfte, die Motivation weiterhin auf dem Höchststand zu halten – ihre Arbeit im Nationalrat bis zum Ende der Legislatur weiterführen. «Ich bin», sagt die gewissenhafte Politikerin, «bis Ende November gewählt.»