Santino Senn gehört zu den besten FIFA-Spielern der Schweiz. Künftig würde er gern für den FC Aarau die virtuellen Tore erzielen.
E-Sport Die Fussballwelt steht praktisch still. Seit Mitte März gibt es für Fans und Spieler keinen Besuch im Stadion, kein Live-Spiel im TV und auch das Bolzen mit den Jungs fällt aus. Kein Wunder also, boomt derzeit E-Sport, bei Fussballfans natürlich besonders das Spiel FIFA 20. Der Griff zum Controller kann in diesen Zeiten die Schmerzen lindern.
Santino Senn hat in den vergangenen Jahren Ähnliches durchlebt. Seit 2017 kann er seinen Lieblingssport nicht mehr selber ausüben. In einem Testspiel bei der 2. Mannschaft des FC Lenzburg knickte er mit dem Fuss um und machte sich dabei ziemlich alles kaputt, was kaputt gehen kann: Bänder, Kapsel, Syndesmoseband sind gerissen und auch das Sprunggelenk ist gebrochen. Seither geht auf dem Platz nichts mehr. Es folgen Operation und Physiotherapie, die Nachwehen begleiten ihn bis heute: «Am Anfang war das für mich besonders hart. Ich habe 16 Jahre im Verein gekickt, plötzlich ging das nicht mehr.»
Der gebürtige Hendschiker beginnt nach einer Alternative zu suchen, um sich von seinem Verletzungspech abzulenken: «Ich war schon Teil der E-Sport- Organisation March Marmots, die sich allerdings auf ein anderes Spiel konzentrierten. Irgendwann kam dann die Idee, dass ich unseren Verein auch bei FIFA vertreten könnte.» Im vergangenen Dezember folgt dann der erste Durchbruch: Senn ergattert sich die Verifizierung als FIFA-Spieler. Aktuell gibt es in der Schweiz nur 74 davon. Der Aargauer bleibt auch im neuen Jahr weiter fleissig, um Punkte für die Weltrangliste zu sammeln und sich für Turniere zu qualifizieren: «An einem Wochenende können das schon mal zwischen 12 und 20 Stunden sein.» Das Resultat lässt sich sehen: Schweizweit belegt Senn den 32. Platz, weltweit befindet er sich auf Rang 2088.
Dabei bleibt es auch vorerst. Die Coronakrise hat nämlich auch die E-Sport-Szene erwischt. Grosse Turniere begeistern in Hallen die Massen. Da dies derzeit nicht möglich ist, hat auch der offizielle Spielbetrieb von FIFA 20 pausiert. Entsprechend schwierig ist es derzeit für den gelernten Logistiker, sich Ziele zu stecken. «Jede neue Ausgabe des Spiels ist eine neue Herausforderung. Ich kann nicht abschätzen, auf welchem Niveau ich bei FIFA 21 spielen werde.» Obwohl Senn eher kleine Brötchen backen möchte, gibt es dennoch einen Traum, den ihn nicht mehr loslässt: «Als ehemaliger Aarauer Junior wünsche ich mir, dass ich irgendwann für das FCA-Team spielen könnte. Ich warte darauf, dass der Klub eine E-Sport-Mannschaft gründet.» Er habe sich diesbezüglich zwar noch nicht beim Verein gemeldet, könne sich aber vorstellen, schon bald selber auf den Klub zuzugehen. Bisher haben nur vier Schweizer Klubs eine E-Sport-Abteilung: FC Basel, Lausanne-Sport, FC Sion und Servette Genf.
Ob künftig mit oder ohne FCA-Logo auf der Brust – Senn hat seine neue Passion gefunden: «Seit ich nicht mehr selber auf dem Platz stehen kann, bleibt mir nur noch das Spielen an der Konsole und der Besuch im Brügglifeld, um den Fussball im Verein zu kompensieren.» Während Letzteres zuletzt öfters kein freudiges Erlebnis war, bescherte ihm die Herausforderung an der Konsole mehr Glücksgefühle: «Als ich mich für das erste Turnier qualifizieren konnte, war ich richtig stolz auf meine Leistung. Solch positive Erlebnisse helfen mir, besser mit der Verletzung klar zu kommen.» Den Fussball auf dem Rasen hat Senn trotz all dem virtuellen Erfolg noch nicht abgeschrieben, auch wenn es zuletzt Rückschläge mit der Verletzung gab: «So lange mir kein Arzt sagt, dass ich nie wieder spielen kann, hoffe ich, dass ich irgendwann wieder auf dem Platz stehen werde.»