Wer muss im Bezirk Brugg über die Klinge springen?

Michael Hunziker
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Zu einer Veränderung wird es so oder so kommen bei den Grossratswahlen vom 18. Oktober im Bezirk Brugg. Zwar treten alle Bisherigen wieder an. Aber: Einer der elf Grossratssitze muss an den Bezirk Lenzburg abgetreten werden, wo das Bevölkerungswachstum stärker ist. Neckisches Detail am Rande: Die Gemeinden Bözen, Effingen und Elfingen wählen die Grossräte für den Bezirk Brugg für vier Jahre, gehören aber bereits ab 2022 – durch die Fusion mit Hornussen – zum Bezirk Laufenburg.

Kämpfen muss die SVP. Die grosse Volkspartei hat – auf nationaler Ebene – an Strahlkraft eingebüsst bei Wahlen und Abstimmungen in letzter Zeit. Jüngstes Beispiel ist die sogenannte Begrenzungs-Initiative, die Ende September klar abgelehnt worden ist an der Urne. Ob die SVP im Bezirk Brugg an Mobilisierungskraft verliert? Bei den letzten Grossratswahlen vor vier Jahren sicherte sich die Partei trotz eines Verlusts beim Wähleranteil – sie sank knapp unter die 30-Prozent- Marke – einen vierten Sitz und zählte zu den lachenden Gewinnern.

Unbestritten sein dürften wiederum die beiden SVP-Spitzenkandidaten Martin Wernli aus Thalheim und Maya Meier aus Auenstein. Bei den letzten Grossratswahlen erzielten der Unternehmer sowie die Firmenkundenberaterin ein Glanzresultat und vereinigten je über 4000 Stimmen auf sich  – Maya Meier sogar trotz des Umstands, dass sie erst kurz zuvor ihren Wohnort in den Bezirk verlegt hatte. Die Bewährungsprobe steht nun an für die vor vier Jahren neu gewählte Tonja Kaufmann aus Hausen, die in ihrer Wohngemeinde auch als Vizeammann amtet, sowie für Unternehmerin Doris Iten aus Birr. Sie rutschte Mitte 2017 ins Kantonsparlament nach für Dominik Riner, der nach einer Finanzaffäre seinen sofortigen Rücktritt einreichte. Konkurrenz kommt zudem aus den eigenen Reihen. Mit grossen Inseraten und Plakaten wollen «Die drei Freunde» einen Sitz erobern für die Stadt Brugg: Miro Barp, Patrick von Niederhäusern und Daniel Zulauf.

Spannend ist die Ausgangslage ebenfalls bei der SP. Die Chancen stehen gut, dass Dieter Egli aus Windisch den Sprung in den Regierungsrat schafft als Nachfolger von Urs Hofmann. Ihre beiden Sitze dürften die Sozialdemokraten verteidigen. Bei den letzten Grossratswahlen war die Partei im Hoch, schraubte den Wähleranteil auf knapp 20 Prozent hoch. Die Partei setzt auf den bewährten bisherigen Martin Brügger aus Brugg. Neben dem Ingenieur hat Luzia Capanni aus Windisch ihre Ambitionen angemeldet für ein Grossratsmandat. Die Fachmitarbeiterin Integration hat sich ihre politischen Sporen abverdient im Einwohnerrat und ist sehr präsent im Wahlkampf.

Ein Bein stellen könnte sich die SP allerdings selber. Denn die Partei präsentiert eine gewöhnungsbedürftige Listengestaltung, bei der die acht neuen Kandidatinnen und Kandidaten in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt sind. Mit dem Ergebnis, dass sich Luzia Capanni mit Listenplatz 5 zufriedengeben muss und zu finden ist hinter Jungsozialistin Flavia Brogle aus Brugg sowie Paul Bitschnau aus Windisch. Dieser ist als langjähriger Einwohnerrat ebenfalls kein Unbekannter, hat aber durchblicken lassen, dass er wenig Interesse hat an einem Grossratssitz.

Ernsthaftes Interesse an einer Wahl zeigen dagegen gleich mehrere FDPler. Sichere Werte sind die Bisherigen: Titus Meier, Historiker und Lehrer aus Brugg, sowie Martina Sigg, Apothekerin aus Schinznach. Ersterer war mit 4318 Stimmen bestgewählter Grossrat im Bezirk Brugg vor vier Jahren, Letztere hat sich über die Region einen Namen gemacht als Gesundheitspolitikerin. Zurücklehnen können indes beide aber nicht. Auf Listenplatz 3 in den Startlöchern steht bei den Freisinnigen Reto Wettstein aus Brugg, der politische Erfahrung vorweisen kann als Stadtrat. Der Informatik-Unternehmer wirbelt als «Servicepolitiker» mit unkonventionellen Ideen, jugendlicher Frische und einer Prise Humor auf unterschiedlichen (Social-Media-)Kanälen. An vorderster Front setzt er sich überdies auf kantonaler Ebene ein im Komitee der sogenannten Mandatszuteilungs-Initiative, die ein neues Berechnungsmodell fordert für die Grossratssitze. Massgebend sein soll die Anzahl der Stimmberechtigten anstatt die Wohnbevölkerung. Im gleichen Komitee  – ein cleveres Wahlkampf­vehikel? – engagiert sich Unternehmer Martin Gautschi aus Windisch, der auf Position 4 aufgeführt ist auf der FDP- Liste. Als Mitglied des Ein­wohnerrats Windisch und Chef von über 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geniesst auch er einen grossen Bekanntheitsgrad.

Weiter im Hoch sind die Grünen, was – bei einer Klimawahl sowieso – Robert Obrist aus Schinznach entgegenkommt. Der prominente Ingenieur-Agronom gehört dem Grossen Rat seit 2014 an. Seit Ende des gleichen Jahres ist auch Roland Frauchiger aus Thalheim für die EVP Mitglied im Kantonsparlament. Einen Namen gemacht hat sich der Ingenieur zudem als Gemeindeammann in seiner Wohngemeinde. Jürg Baur aus Brugg sorgte vor vier Jahren für die Überraschung bei der CVP. Der Schulleiter und Brugger Stadtrat schnappte seinem Parteikollegen, dem Polit-Urgestein und früheren Kantonalparteipräsidenten Franz Hollinger, den Sitz vor der Nase weg.

Eng wird es vor allem für die Letztgenannten, wenn es der GLP gelingt, den vor vier Jahren verlorenen Sitz zurückzuerobern. Damals schafften die Grünliberalen die 5-Prozent-Hürde nicht. Ins Rennen steigen Angélique Flach aus Auenstein sowie der frühere Grossrat Markus Lang aus Brugg. Die GLP ist sehr aktiv derzeit, hat einen Vier-Punkte-Plan zur Solarförderung im Bezirk vorgeschlagen und eine Petition lanciert für ein regionales Radroutennetz.