Birr/Lupfig
Wechsel an der Spitze des Forstbetriebs: Der Onkel geht in Pension – sein Neffe folgt ihm

«Er war ein strenger Lehrmeister», sagt Micha Plüss, der neue Leiter des Forstbetriebs Birr-Lupfig, über seinen Vorgänger Richard Plüss. Dieser zieht nach 37 Jahren an der Spitze des Betriebs Bilanz.

Louis Probst
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Der neue und der alte Leiter des Forstbetriebs Birr-Lupfig: Micha Plüss tritt die Nachfolge von Richard Plüss an, hier mit dessen Hund Boss.

Der neue und der alte Leiter des Forstbetriebs Birr-Lupfig: Micha Plüss tritt die Nachfolge von Richard Plüss an, hier mit dessen Hund Boss.

Alex Spichale

«Eigentlich habe ich ein gemischtes Gefühl», gesteht Richard Plüss anderthalb Tage vor dem endgültigen Pensionierungstermin. «Aber das geht allen gleich. Ein grosser Teil der Tagesstrukturen, die dich bisher gesteuert haben, fällt weg. Da macht man sich schon seine Gedanken.»

Nach 37 Jahren als Leiter des Forstbetriebs Birr-Lupfig ist er jetzt in Pension gegangen. Im Sinne eines dynamischen Übergangs hatte er vor drei Monaten die Leitung des Betriebs an Micha Plüss – seinen einstigen Lehrling und Neffen – übergeben. «Die Verwandtschaft hat bei meiner Wahl allerdings keine Rolle gespielt», betont Micha Plüss schmunzelnd.

Dass er jetzt als Chef in seinen einstigen Lehrbetrieb zurückgekehrt ist, spricht nicht zuletzt für seinen Lehrmeister. «Ich habe ihn als sehr streng und fordernd erlebt», stellt Micha Plüss fest. «Man weiss bei ihm aber immer woran man ist.» Richard Plüss meint zur Lehrzeit seines Nachfolgers lächelnd: «Ich habe ihn nie geschont.»

Es gab eine Motorsäge in Birr und eine in Lupfig

Der berufliche Werdegang von Richard Plüss und Micha Plüss weist zumindest eine grosse Gemeinsamkeit auf: den starken Bezug zur Natur und natürlich zum Wald.
«Dass ich Förster wurde, liegt wohl in den Genen», sagt Richard Plüss, der auf dem Bauernbetrieb seiner Eltern im solothurnischen Walterswil aufgewachsen ist. «Einer meiner Grossväter war Bannwart – so hiess damals der Förster.»

Nach einer landwirtschaftlichen Ausbildung auf der Liebegg absolvierte er im Forstbetrieb der Stadt Aarau eine Forstwartlehre. Anschliessend arbeitete er in einem Forstbetrieb im Solothurner Jura und später einige Jahre in Othmarsingen. In diese Zeit fiel seine Ausbildung zum Förster. 1982 übernahm er die Leitung des Forstbetriebs Birr-Lupfig.

«Trotz des gemeinsamen Forstbetriebs wurde damals noch streng nach Gemeindegrenzen unterschieden», erinnert sich Richard Plüss. «Es herrschten minimalste Verhältnisse. Es gab eine Motorsäge in Birr und eine in Lupfig. Der Betrieb wurde dann aber laufend ausgebaut. In den letzten 20 Jahren hat er sich stark entwickelt. Heute ist – bedingt durch das Dilemma bei den Holzpreisen – das Segment Dienstleistungen grösser als das Kerngeschäft.»

Richard Plüss windet dabei den Behörden der beiden Gemeinden ein Kränzchen: «Ich hatte stets grosse Freiheiten. Man hat mich arbeiten lassen und mich bei meinen Entscheidungen bestärkt».

Befürchtungen, dass ihm im Ruhestand langweilig werden könnte, hat er keine. «Ich bin weiter im Ausbildungs- und Kurswesen tätig. Das hat aber nichts mit meiner Anstellung zu tun. Zudem organisiere ich im Auftrag von Wald Schweiz Überbetriebliche Kurse für angehende Forstwarte. Ich möchte auch hin und wieder eine Reise machen und mich wieder mehr der Musik widmen. Ich habe jetzt ja Zeit, um zu üben.» Und nicht zuletzt ist da auch noch das Amt des Gemeindeammanns.

Er hat sogar im Wald übernachtet

«Schon als Kind war ich extrem naturverbunden», sagt Micha Plüss, der aus einer Lehrerfamilie kommt. «Eine Schnupperlehre als Forstwart hat bei mir dann definitiv den Drang nach einem Beruf in der Natur geweckt.» Sein Werdegang sei aber etwas speziell, stellt er fest.

Nach der Ausbildung zum Forstwart und später zum Förster war er als technischer Assistent bei der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) tätig. Später wechselte er zum Schweizerischen Landesforstinventar (LFI), das Daten zum Zustand und zu Veränderungen des Schweizer Waldes erfasst.

«Ich war 15 Saisons lang beim Landesforstinventar dabei», so Micha Plüss. «Dabei habe ich die hintersten Winkel der Schweiz kennen gelernt. Anfänglich haben wir bei den Inventuren sogar im Wald übernachtet.»

Seit längerem habe er jedoch, auch wegen seiner jungen Familie, einen Wechsel ins Auge gefasst. Dieser Wechsel hat ihn jetzt in seinen einstigen Lehrbetrieb zurückgeführt. «Ich will die Arbeit und das Engagement von Richard Plüss, auch bei der Ausbildung junger Berufsleute, weiterführen», betont Micha Plüss, der im Aargauischen Försterverband für das Ausbildungswesen der Forstwarte verantwortlich ist.

An Herausforderungen wird es ihm kaum mangeln. «Die grösste Herausforderung liegt darin, dass sich mit dem Kerngeschäft des Forstbetriebs kein Geld mehr verdienen lässt», stellt Micha Plüss fest. «Der Fokus wird daher noch intensiver auf den Naturschutz und auf spezielle Aufgaben der Landschaftspflege gerichtet werden müssen.»

Als grösste Herausforderung bezeichnet er aber die Organisation der neuen Interkommunalen Anstalt, die er als Geschäftsführer leiten wird. In dieser Anstalt, einer der ersten im Kanton, werden unter der Rechtsform einer selbstständig öffentlich-rechtlichen Gemeindeanstalt der Forstbetrieb Birr-Lupfig, die Bauämter sowie die Wasserversorgungen der beiden Gemeinden in einem neuen Werkhof zusammengefasst.

Rund 600 Hektaren: Revier reicht vom Kestenberg bis zur Aare

Der Forstbetrieb Birr-Lupfig betreut nicht bloss die Waldungen dieser beiden angestammten Gemeinden, sondern auch diejenigen von Brunegg, Windisch und Mülligen. Das Revier, das eine Waldfläche von rund 600 Hektaren umfasst, reicht vom Kestenberg bis zur Aare.

Neben Buchen- und Mischwaldbeständen entfällt rund ein Drittel auf Fichtenbestände. Speziell gefördert werden mit Blick auf die Biodiversität Eichen und Nussbäume. Angesicht der Gefahr von Defiziten aufgrund der rückläufigen Holzpreise hatte Richard Plüss frühzeitig nach neuen Wegen, respektive Einnahmemöglichkeiten gesucht.

Der Forstbetrieb hat sich daher, neben seinem Kerngeschäft, auf die Park- und Gartenholzerei spezialisiert. Zudem werden für die SBB Arbeiten wie Böschungsholzerei oder Vegetationskontrollen im Gleisbereich, ausgeführt. Gegenwärtig umfasst das Team acht Mitarbeiter – neben dem Leiter vier Forstwarte und drei Forstwart-Lehrlinge. (lp)