Brugg
Tierquälerei im Pferdestall: Streit um falsches Futter landet vor Gericht

Eine Stute erlitt nach der Fütterung gesundheitliche Probleme. Doch wer gab ihr das Futter? Darüber beriet das Bezirksgericht Brugg.

Janine Müller
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Die Zuckerrübenpellets waren nicht aufgeweicht, woraufhin eine Stute stationär überwacht werden musste. (Symbolbild)

Die Zuckerrübenpellets waren nicht aufgeweicht, woraufhin eine Stute stationär überwacht werden musste. (Symbolbild)

KEYSTONE/TI-PRESS/FRANCESCA AGOSTA

Tierquälerei und Sachbeschädigung – es sind schwere Vorwürfe, wegen derer sich eine Mittdreissigerin aus der Region Brugg, nennen wir sie Sandra, kürzlich vor dem Bezirksgericht zu verantworten hatte. Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach forderte eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 70 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren sowie eine Busse von 2000 Franken. Die Privatklägerin stellte zudem eine Zivilforderung von Fr. 1736.10.

Sandra besitzt zwei Pferde, die im selben Stall untergebracht sind wie jene der Privatklägerin, die nicht zur Verhandlung erschien. Zwischen den beiden Parteien kam es in der Vergangenheit wiederholt zu Streitereien. Die Privatklägerin hatte offenbar auch schon Meinungsverschiedenheiten mit dem Stallbesitzer.

Die Zuckerrübenpellets waren nicht aufgeweicht

Zur Eskalation kam es im Dezember 2018. Am Mittag trafen Sandra und die Privatklägerin im Stall aufeinander. Letztere verfütterte ihren eigenen beiden Tieren – einer Stute und einem Hengst – sogenanntes Mash, einen diätischen Getreidebrei. Sandra versorgte zur selben Zeit ihre Tiere. Danach verliess die Privatklägerin den Stall. Gemäss Anklageschrift der Staatsanwaltschaft soll Sandra anschliessend den beiden Pferden der Privatklägerin wissentlich und willentlich nicht aufgeweichte Zuckerrübenpellets in die Futtertröge geleert haben. Die Pellets müssen grundsätzlich aufgeweicht werden, damit sie bekömmlich sind.

Die Stute der Privatklägerin frass die nicht aufgeweichten Pellets. Daraufhin erlitt sie eine Schlundanschoppung, eine Verstopfung der Speiseröhre. Die Privatklägerin kam abends nochmals in den Stall und bemerkte die gesundheitlichen Probleme ihrer Stute. Die Pferdeklinik musste aufgeboten werden.

Die Tierärztin stellte fest, dass die Stute schwitze, hustete und schleimigen, futterhaltigen Nasenausfluss aus beiden Nüstern hatte. Dazu kamen krampfartige Kontraktionen der Halsmuskulatur. Das Pferd musste daraufhin stationär aufgenommen und überwacht werden. Der Hengst zeigte keine gesundheitlichen Probleme.

Vor Gericht bestritt Sandra, dass sie die Pellets verfüttert hatte. Sie konnte dem Gerichtspräsidenten Sandro Rossi zu allen Fragen ruhig und sachlich Auskunft geben. Sandra erklärte auch, dass sie und die Privat­klägerin mehrere Reitbeteiligungen haben. Heisst: Weitere Frauen kümmern sich hin und wieder um die Pferde, wenn die Pferdebesitzer selber keine Zeit dazu haben. Dabei kam auch heraus: Der Stall ist jeweils offen, mehrere Personen gehen täglich ein und aus.

Am Tag nach den gesundheitlichen Problemen der Stute trafen die Privatklägerin und Sandra im Stall erneut aufeinander. Sandra wünschte der Privatklägerin einen guten Morgen, gemäss eigenen Aussagen nichts ahnend, was am Abend zuvor passiert war. Da habe die Privatklägerin gesagt: «Du bist ein Psycho, ich zeige dich an!» Zudem sei sie gegenüber Sandra handgreiflich geworden. In ihrem Plädoyer verwies die Verteidigerin Sandras darauf, dass es sich um einen Indizien­prozess handelt. Zeugen des Vorfalls gebe es keine. «Die Parteien verstanden sich zwar nicht gut, aber das heisst nicht, dass die Beschuldigte ein Pferd quält. Sie, die jede freie Minute mit Pferden verbringt.» Und: Theoretisch könne jeder den Stall ­betreten. Es gelte also der Grundsatz «im Zweifelsfall für den Angeklagten». Sandra sei freizusprechen.

Gerichtspräsident zeigte vier Möglichkeiten auf

Die Beschuldigte gab in ihrem Schlusswort zu Protokoll, dass das ganze Strafverfahren eine sehr belastende Zeit war. «Ich hatte keine ruhige Minute und möchte nun endlich abschliessen», sagte sie mit gebrochener Stimme. Gerichtspräsident Sandro Rossi folgte der Argumentation der Verteidigerin Sandras. Er zeigte auf, dass es vier verschiedene Möglichkeiten gegeben habe, die zur Schlundanschoppung geführt hätten. Es hätte eine x-beliebige Person sein können, die das Futter in den Trog schüttete, weil der Stall immer offen ist. Das erachtete Rossi aber als eher unwahrscheinlich. Die zweite Möglichkeit: Sandra war es tatsächlich, nur fehlen die Beweise. Die dritte und vierte Variante: Jemand von der Stallgemeinschaft, inklusive Privatklägerin, hat das Futter absichtlich oder unabsichtlich in die Tröge der Pferde der Privatklägerin geleert.

«Es gibt keine objektiven Beweismittel», sagte Rossi und sprach Sandra frei von den Vorwürfen der Tierquälerei, versuchten Tierquälerei sowie der Sachbeschädigung und versuchten Sachbeschädigung.