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Der Rentner Roland Herrigel ist mit seinen selbst produzierten Videos eine Youtube-Berühmtheit. Er erzählt von seinen vielen Projekten.
Komiker, Musiker, Autor, Maler, Verkäufer, Journalist. Die Liste von Roland Herrigels Tätigkeiten in seinem ereignisreichen Leben ist eindrücklich. Zum Interviewtermin öffnet ein rüstiger 73-jähriger Pensionär die Türe zu seinem Haus in Scherz, dieses bewohnt er mit seiner Frau. Er beginnt sogleich von seinen Erinnerungen zu erzählen. Immerhin hat er es unter anderem unter die bekanntesten Youtuber der Schweiz geschafft. Doch alles der Reihe nach.
Der gebürtige Brugger Roland, genannt Roli, trat bereits während seiner Goldschmiedlehre mit der Mundharmonikatruppe «Nameless Five» auf. Die Gruppe hörte aber nach wenigen Jahren wieder auf. Auf seine Lehre folgten Jahre der Neuorientierung: Nachdem er als Laborant, Inhaber eines Fischerartikelgeschäfts und als Journalist für mehrere Fischerzeitungen gearbeitet hatte, eröffnete Roli das Malergeschäft Maler-Express in Scherz.
Während er als Maler arbeitete, stieg er wieder in das Unterhaltungswesen ein. Unter dem Pseudonym Comedyroli trat er bis zu dreimal pro Woche auf Bühnen in der ganzen Schweiz als Komiker auf. Schweizweit unterhaltsam dürfte sein Eigenporträt als stereotypischer Aargauer gewesen sein. «Ich hatte immer zwei weisse Socken dabei.» Ausserkantonal liess er Scherze über Aargauer fallen. Er lenkte die Pointe aber immer so um, dass er die Zürcher letztendlich in schlechtem Licht erscheinen liess.
Roland Harrigel interpretiert «Yellow River», im Video sind Szenen aus Brugg zu sehen:
25 Jahre lang wurde Roland Herrigel treu von seiner Frau Ruth begleitet. «Andere Komiker beneideten uns förmlich», meint er. Roli meisterte seine Logistik nicht, wie andere Künstler, alleine, sondern im Tandem mit seiner Frau. «Auf der Heimfahrt liessen wir zusammen die Show Revue passieren und reflektierten, was gut und was weniger gut lief.» Mit 70 machte sich ein Sättigungsgefühl breit und der Scherzer entschied, seine Kostüme endgültig an den Nagel zu hängen.
Dem Rampenlicht ganz entziehen wollte sich Roli aber noch nicht. Denn da war noch die Mundharmonika, die er, seit er 16 Jahre alt war, spielte. Mit der Mundharmonika trat er während der letzten zehn Jahre bis im vergangenen Frühling mit dem Namen Harproli auf. Auch damit war er in der ganzen Schweiz auf Bühnen präsent.
Schliesslich 2007 hatte er eine geniale Idee: Roland Herrigel schaute sich die Castingshow «Das Supertalent» auf RTL an und sah, wie der Mundharmonikaspieler Michael Hirte die Staffel gewann. Herrigel dachte sich: «Das kann ich doch auch, wenn nicht sogar besser.» Dieser Gedanke brachte einen Stein ins Rollen. Bald darauf begann er, eigene Videos zu produzieren. Mit eigenem Greenscreen teleportierte er sich in alle Gegenden der Welt und verkleidete sich dazu passend als Schiffskapitän oder als Leonard Cohen.
Roland Herrigel «Hallelujah» von Leonard Cohen:
Die selbst gefertigten Videos lud er auf Youtube hoch und dort «schlugen sie ein wie eine Bombe», wie er sagt. Bald wurde sein Youtube-Kanal «Harproli» zu einem grossen Namen. Auf die 21 Millionen Klicks insgesamt – es werden täglich mehr – und gut 55000 Abonnenten aus der ganzen Welt ist Roland Herrigel mächtig stolz. Mehrere seiner Videos schafften es, über eine Million Zuschauer zu ergattern. Spitzenreiter ist das Lied «Titanic Theme» mit 7,7 Millionen Klicks. Damit zählt Roli zu den weltweit bekanntesten Schweizer Youtubern. Interessanterweise sei er in der Schweiz auf der Strasse nicht so bekannt, dafür im Internet umso mehr.
Im letzten Jahr wurde es still um den Youtube-Kanal Herrigels, kein einziges Video hat er seit Oktober 2018 publiziert. Er verrät: «Im Frühling 2020 wird es ein neues geben.» Für seine Inszenierung von Wilhelm Tell reiste der Rentner extra auf den Gotthard-Pass und bastelte eine eigene Armbrust.
Ruhe eingekehrt ist im Haushalt Herrigel noch lange nicht, fleissig schreibt der Rentner an seinem dritten Buch. Wie in den beiden ersten Publikationen geht es ums Fischen. Diesmal verfasst er eine Anleitung, wie Fischer und Naturfreunde Gewässer auf ihre Natürlichkeit überprüfen können. Das Buch soll im Herbst erscheinen. Dem eifrigen Fischer und Naturschützer Herrigel liegt das Wohlergehen der Fische sehr am Herzen.
Roland Herrigel interpretiert «House of the Rising Sun» und erzählt im Video augenzwinkernd sein «hartes Leben» als Pensionär:
Sein zweites Buch «Tatort Bach – fischgerechte Revitalisierungen und Optimierungen» ist vor zwei Jahr erschienen. Darin beschrieb er, wie jahrelang Bäche für Fische suboptimal revitalisiert wurden. «Mit den öffentlichen Geldern sind bisher die Gewässer mehrheitlich an den Fischen vorbei revitalisiert worden. Das ökonomische Interesse stand mehr im Vordergrund als die Umwelt», bemängelt er. Er findet, dass Fischer und Naturschützer vermehrt im Prozess hätten mit einbezogen werden sollen, denn sie wüssten besser, was den Fischen passe.
«Ich kenne keine Langeweile», sagt Herrigel. «Langeweile wäre Gift für mich.» Er denke nicht an einen Rücktritt von seinem engagierten Leben als Filmemacher, Autor und Fischer. So dürfte es künftig noch einiges zu hören und zu lesen geben vom «Scherzer» aus Scherz.