Vor 75 Jahren leisteten internierte polnische Soldaaten am Schutthügel von Vindonissa einen sechswöchigen Einsatz.
In der Nacht auf den 20. Juni 1940 fanden rund 30 000 Soldaten des französischen Armeekorps und 12 500 Soldaten der 2. Polnischen Schützendivision mit Einwilligung des Bundesrates Zuflucht in der Schweiz.
Sie waren bei der Verteidigung von Belfort von den Truppen der deutschen Wehrmacht eingekesselt und an der Grenze des Berner Juras in die Enge getrieben worden.
Sie wurden in der Folge in der Schweiz interniert, zunächst in grossen Lagern. Doch ein Leben in Massenunterkünften und ohne Arbeit vermochte nicht zu befriedigen, deshalb wurde eine Verteilung auf kleinere Arbeitslager vorgenommen.
Mithilfe dieser Arbeitskräfte entstanden verschiedenenorts in der Schweiz die sogenannten Polenstrassen und -wege wie etwa in Thalheim. Im Oberdorf in Gebenstorf war ebenfalls ein Barackendorf errichtet worden. Am 27. November 1940 zogen 250 polnische Soldaten und Offiziere hier ein. Ihnen eine Arbeit zu verschaffen, war nicht einfach, die Untätigkeit wurde auch hier zu einem Problem. Gemäss Gebenstorfer Chronik schnitzten manche Internierte kunstvolle Stöcke, die sie dann zu verschenken oder zu verkaufen versuchten. Und ein Wachtmeister malte gar ein packendes Wandbild im Schulhaus.
Für die Ausgrabungen in Vindonissa war bis zur Gründung der Kantonsarchäologie die Gesellschaft Pro Vindonissa zuständig. Während des Zweiten Weltkrieges kamen am berühmten «Schutthügel», der den Abfall des Legionslagers enthielt, vorwiegend Patienten – damals «Irre» genannt – der Psychiatrischen Klinik Königsfelden zum Einsatz, aber auch Schüler. Im Sinne einer Arbeitsbeschaffung für internierte Soldaten wurde nun eine Gruppe von Polen aus Gebenstorf beigezogen. Jürgen Trumm, der heutige Leiter Ausgrabungen Vindonissa, befasste sich intensiv mit diesem Engagement. «Ich empfinde es als passend, wenn wir diesen Männern 75 Jahre später eine Anerkennung aussprechen, auch wenn von ihnen heute wohl niemand mehr leben dürfte», so seine Meinung. Trumm hat in verschiedenen Archiven und publizierten Werken recherchiert, um mehr über das Leben der Polen in Gebenstorf und ihre Arbeit in Vindonissa zu erfahren – er ist aber dankbar, wenn er aus der Bevölkerung weitere Hinweise – auch Bildmaterial – erhalten könnte. Auf einem der Fotos von 1941 sind neben einigen Arbeitern mächtige Eichenstämme erkennbar. «Diese hatten wohl dazu gedient, in der Spätzeit des Legionärslagers den Schutthügel zu stabilisieren.»
Als Vorarbeiter leitete Karl Hürbin, der vorher bei Grabungen in Augusta Raurica tätig war, die Grabungsarbeiten am Schutthügel Vindonissa. In seinem Tagebuch vermerkte er am 22. März 1941: «Heute rücken 22 polnische Internierte vom Lager Gebenstorf ein. 1 Offizier und 2 Mann Bewachung. (...) Arbeitszeit der Polen 8–11.15 und 12.45–16.15.» Einen Tag später lautet sein Eintrag: «24 polnische Internierte. Die Arbeiter sind schon gut eingearbeitet und achten sehr gut auf die Fundgegenstände.»
Etwas später dann eine kritische Bemerkung: «Scherben habe ich diese Woche keine gewaschen mit den Polen, es lohnt sich nicht mit diesen Burschen, wenn ich nicht ständig dabei sein kann.» Vermutlich machten ihm auch sprachliche Schwierigkeiten zu schaffen. Auf Fotos ist erkennbar, dass die Männer eine Baskenmütze trugen. Zum Abtransport des anfallenden Erdmaterials und des nicht verwendbaren Abfalles diente eine auf Schienen verkehrende Feldbahn.
Nach der ersten Mai-Woche endete der Einsatz der Polen. Wie Trumm feststellt, haben sie überaus viele und hervorragende Funde zutage gebracht, so Waffenteile, Schmuck, Schreibtäfelchen, Würfel. Durch das Polenmuseum in Rapperswil erhielt er sogar die Namenliste der damals im Lager Gebenstorf Internierten; diese Liste nennt auch die sechs Soldaten, die heute noch fern ihrer Heimat auf dem Friedhof von Gebenstorf ruhen.