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Die jüngste Werbekampagne in Brugg verleitet Walter Meier zu einer spontanen Aktion – auch die katholische Kirche hat reagiert.
Es sei eine spontane Aktion gewesen, dieses Jesus-Werbeplakat zu ergänzen; etwas, das er noch nie gemacht habe, sagt Walter Meier. Der 75-Jährige ist Ehrenbürger von Windisch, wo er während 28 Jahren als reformierter Pfarrer gewirkt hat.
Seit seiner Pensionierung vor 10 Jahren lebt Meier in Brugg – und zwar nur einen Steinwurf vom umstrittenen Plakat entfernt, das neben der Alten Post an der Hauptstrasse hängt. Dieses zeigt Jesus, der mit einer goldenen Kreditkarte in der Hand für das «Shopping-Paradies Brugg» wirbt.
«Brugger Detailhandel hängt katholische Feiertage an den Nagel», lautet der Slogan. Damit wird auf offene Läden etwa an Fronleichnam hingewiesen. Finanziert wird die drei Wochen dauernde Kampagne vom relativ neuen Verein «inBrugg», der sich aus dem Gewerbeverein Zentrum Brugg, dem Neumarkt sowie der City Galerie Brugg zusammensetzt. Als Werber tritt Mirco Fritschi, Vereins-initiator und Inhaber der Brugger Agentur Vispro AG, in Erscheinung.
Als Pfarrer Meier am letzten Montagabend von einem Spaziergang zurückkam, ärgerte er sich dermassen über das Werbeplakat, dass er zu Hause einen Stift holte und sich ans Werk machte. Da die mit orangen Stift geschriebenen Worte kaum lesbar waren, ging er nochmals heim und kam mit einem schwarzen zurück. Meier zeichnete Jesus eine Sprechblase vor den Mund und schrieb «Denn sie wissen nicht, was sie tun» hinein. Am rechten Plakatrand kommentierte er: «Pfui, pfui, inBrugg, schämt Euch! Walter Meier, reformierter Pfarrer». «Wenn die provozieren, kann ich das auch», hält Walter Meier beim Fototermin fest.
Zwei Tage später klebte er noch einen zum Thema passenden Leserbrief von Peter Belart aus Schinznach-Dorf auf das Jesus-Plakat. Es sei ihm wichtig gewesen, sich als reformierter Pfarrer zu outen. Damit habe er seine Solidarität mit den Katholiken bekunden wollen. «In der Ökumene haben wir immer gut zusammen gearbeitet.»
Die Werbeaktion des Brugger Vereins «inBrugg» mit einem Jesus-Sujet für ein «Wurscht & Brot-Fescht» an Fronleichnam habe viele schockiert, teilt der Pastoralraum Brugg-Windisch auf Nachfrage dieser Zeitung mit. Die katholische Kirchenpflege und das Pastoralteam haben vor zehn Tagen gemeinsam ein Statement auf kathbrugg.ch abgegeben.
Beim Werbeslogan gehe es «nur noch um billige Effekthascherei», denn katholische Feiertage würden im reformiert geprägten Brugg nicht als arbeitsfreie Tage gefeiert. Für die Kampagne sei eine Bildsprache gewählt worden, welche die Gefühle vieler Christen verletze. «Der leidende Jesus mit Dornenkrone, der süffisant grinst, ist ein Fehlgriff, der an Verspottung grenzt», findet der Pastoralraum.
Die Kirchenpflege wandte sich schriftlich an den Werber und den Vereinsvorstand, um sie aufzufordern, «in Zukunft auf derartig geschmacklose, verletzende Kampagnen zu verzichten». Der Dialog sei nun angelaufen.
Am Gartenzaun des Brugger Pfarrhauses hängten die Katholiken über Fronleichnam ein ebenfalls gelb-blaues Plakat als Gegenaktion auf. Inzwischen ist es durch ein weisses ersetzt worden. «Wir sind an 365 Tagen für Sie da!», heisst der Slogan der Kirche.
Es habe verschiedene Reaktionen auf das Jesus-Plakat gegeben, sagt Werber Mirco Fritschi, «notabene nicht nur negative». Und weiter: «Ich möchte noch einmal betonen, dass wir zu keinem Zeitpunkt Gefühle verletzen wollten.» Hinter dieser Kampagne sei eine ganz andere Idee gestanden, die auch auf inbrugg.ch öffentlich publiziert wurde.
Zum vom Pfarrer bearbeiteten Jesus-Plakat spricht Fritschi von zwei Sichtweisen: «Die juristische, die eine klare Sachbeschädigung darstellt und die zur Anzeige gebracht werden könnte. Und die menschliche, die Verständnis dafür hat und selbstverständlich nichts dagegen unternehmen wird.» Das Gleiche gelte für das Plakat der katholischen Kirche Brugg, die das Design kopiert hat. «Das wiederum stellt eine Urheberrechtsverletzung dar», so der Werber.
Nach all den Reaktionen: Würde «inBrugg» diese Kampagne nochmals fahren? Dazu sagt Fritschi: «Gemessen am Erfolg der Kampagne: Ja! Aber nein, natürlich werden wir mit so einer kritischen Thematik sicher nie wieder auftreten.» Denn es seien offenbar Gefühle verletzt worden und «das wollte keiner von uns und das tut uns leid».