Prozess in Brugg
Patient der Psychiatrischen Klinik rastet komplett aus – Polizei setzt Taser ein: «Ich habe ein totales Blackout»

Weil er als Patient in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden eine Mitarbeiterin und Polizisten massiv bedrohte, stand ein 50-jähriger Schweizer vor Bezirksgericht Brugg. Bestraft wurde er allerdings nicht: Das Gericht kam zum Schluss, dass er schuldunfähig war.

Louis Probst
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Die Psychiatrische Klinik Königsfelden. (Archiv)

Die Psychiatrische Klinik Königsfelden. (Archiv)

Archiv az/Dominic Kobelt

«Die Situation war bedrohlich», erklärte der als Zeuge aussagende Polizeibeamte vor dem Bezirksgericht Brugg. Er war zusammen mit einem zweiten Polizisten als Erstpatrouille in die Psychiatrische Klinik Königsfelden aufgeboten worden, weil ein Patient massiv ausgerastet war. «Der Mann hatte ein Stuhl- oder Tischbein in der Hand und bearbeitete damit eine Glastüre», sagte der Zeuge.

Eine Pflegefachfrau, die auf der Station Dienst hatte, sagte als Zeugin aus: «Der Beschuldigte hat einer anderen Pflegekraft gesagt, dass er mich umbringen werde, wenn er mich nochmals sehe. Ich war schockiert. Ich hatte Angst. Ich habe die Drohung sehr ernst genommen. Als er begann, das Mobiliar zu beschädigen, habe ich Alarm ausgelöst.»

Beim Eintreffen der Verstärkung durch die Kantonspolizei Aargau drohte der Beschuldigte, die Beamten zu erschiessen oder mindestens zu schlagen. «Schliesslich», so die Anklage, «konnte der muskulöse und körperlich leistungsfähige Beschuldigte erst unter Einsatz von Spezialkräften der Kantonspolizei und mittels eines Tasers unter Kontrolle gebracht und arretiert werden.»

Staatsanwalt: «Schuldunfähig»

In der Folge wurde der Mann wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, Drohung, Sachbeschädigung sowie Vereitelung einer Blutprobe angeklagt. Zum letzteren Vorwurf war es gekommen, nachdem er – ein halbes Jahr nach dem Ausraster in der Klinik Königsfelden – wegen seiner Fahrweise in Verdacht geraten war, unter Alkohol- oder Drogeneinfluss zu stehen.

Gestützt auf ein psychiatrisches Gutachten, gemäss dem der Beschuldigte an einer bipolaren affektiven Störung leidet, beantragte die Staatsanwaltschaft, dass wegen Schuldunfähigkeit von einer Bestrafung abzusehen, jedoch eine ambulante Massnahme anzuordnen sei.

Er habe sich zum Zeitpunkt des Vorfalles in der Klinik in einer manischen Phase befunden, sagte der freundlich wirkende Beschuldigte in der Befragung durch Bezirksgerichtspräsidentin Chantale Imobersteg. Gegenwärtig gehe es ihm sehr gut. Er nehme Medikamente, erklärte er und zählte die Präparate und ihre Dosierung auf. Zudem stehe er in Kontakt mit einem Psychiater.

Blackout nach Taser-Einsatz

An den Vorfall erinnere er sich. Er sei am Vorabend im Zuge einer fürsorgerischen Unterbringung durch die Polizei an seinem Wohnort abgeholt, auf einen Polizeiposten und später mit der Ambulanz in die Klinik Königsfelden gebracht worden. «Bereits auf dem Polizeiposten und in der Ambulanz ist es zu kleineren Scharmützeln gekommen», sagte er. «Ich weiss aber nur noch, dass ich etwas in der Hand hielt und auf etwas einschlug. Dann wurde es schwarz. Später habe ich erfahren, dass die Polizei einen Taser eingesetzt hat. Ich habe ein totales Blackout. Ich kann weder die Zeugin noch den Polizisten wiedererkennen.» Auch für die Verweigerung der Blutprobe machte der Beschuldigte geltend, dass er sich im fraglichen Zeitpunkt in einer manischen Phase befunden hätte.

«Man kann feststellen, dass die Tatbestände erfüllt sind», erklärte der Pflichtverteidiger. «Ein Verschulden liegt aber nicht vor. Mein Mandant war im betreffenden Zeitpunkt schuldunfähig. Dem Antrag der Staatsanwaltschaft kann gefolgt werden. Mein Mandant ist bereit, sich einer ambulanten Massnahme zu unterziehen. Die Bedingungen dafür sind erfüllt.» Die Zivilforderung der Klinik, die einen Sachschaden von 7196.80 Franken geltend machte, sei jedoch abzuweisen.

Das Gericht folgte den Anträgen der Verteidigung, respektive der Anklage, die für einmal gleicher Meinung waren. «Das Gericht geht davon aus, dass sich der Beschuldigte zwar rechtswidrig, jedoch nicht in schuldhafter Weise verhalten hat, weil er schuldunfähig war», erklärte die Gerichtspräsidentin Chantale Imobersteg. «Das hat aber nicht zur Folge, dass keine Massnahme angeordnet werden kann. Die Voraussetzungen für eine ambulante Massnahme sind gegeben, auch deshalb, weil der Beschuldigte damit einverstanden ist.» Die Zivilforderung wurde abgewiesen.