Die Geschwister Dimitra (15) und Mirko (19) Hess treiben den gleichen Sport, aber mit unterschiedlichen Zielen. Beide wollen es aber weit bringen.
Wie viel will ich in den Sport investieren? Was ist mein Ziel im Handball? Diese zwei Fragen mussten Dimitra und Mirko Hess aus Habsburg für sich beantworten. Die Antworten fielen unterschiedlich aus. Aus verschiedenen Gründen.
Die 15-jährige Dimitra, im Moment noch Oberstufenschülerin, will voll auf die Karte Hallenhandball setzen. Dreimal in der Woche pendelt sie von Habsburg nach Herzogenbuchsee (BE). Dort trainiert sie im Team der U17-Elite-Juniorinnen und hofft, dereinst den Sprung in die 1. Mannschaft zu schaffen, die in der Swiss Premium League 2 – der früheren Nationalliga B – um Punkte kämpft.
Zu den Trainings im Oberaargau kommen drei weitere dazu: ein individuelles Krafttraining plus ein Training in Suhr und eines in Aarau. Der Terminkalender des Blondschopfs ist vollgestopft, die Freizeit verbringt Dimitra vor allem im Zug. Geniessen kann sie die nicht wirklich, denn schliesslich muss ja auch die Hausaufgaben noch machen oder auf Prüfungen lernen. Für die ambitionierte Handballerin ist darum klar: «Wenn ich den Schnitt schaffe, will ich an die Sportkanti, damit mir genügend Zeit für Handball bleibt.» Ihr Sportpensum konnte sie bisher nur bewältigen, weil sich die Verantwortlichen der Bezirksschule kulant zeigten und ihr gewisse Stunden frei gaben.
Dimitras Bruder Mirko hingegen hat sich vor gut vier Jahren gegen die Sportkanti entschieden, trotzdem spielt er ambitioniert Handball – in der Halle sowie auf dem Sand. Im Gegensatz zu seiner Schwester strebt er jedoch keine Profikarriere an – nicht mehr. «Es war ein pragmatischer Entscheid», sagt er. «In der Schweiz ist es schwierig, eine Karriere als Profihandballer zu starten. Und im Beachhandball sowieso.»
Denn könnte er wählen, und wären die Bedingungen gleich wie in erfolgreichen Beachhandball-Nationen, dann hätte er sich für eine Karriere auf dem Sand entschieden. «Beachhandball wird in der Schweiz aber eher belächelt. Profimässige Strukturen gibt es nicht», erklärt der 19-Jährige. Beachhandball ist in der Schweiz eine kleine Szene. Eine landesweite Selektion gibt es nicht, «viele Trainer verstehen nicht, dass Beachhandball auch eine Bereicherung für die Halle sein kann», ergänzt Mirko. Trotzdem kann der Kantischüler beachtliche Leistungen vorweisen.
Vor zwei Jahren spielte er beim Beachhandballverein Wasserschloss erstmals auf Sand. Bald schaffte er den Sprung in die Junioren-Nationalmannschaft. «Beachhandball ist zwar schon mehr zum Spass», sagt Mirko. «Aber wenn man in der Nationalmannschaft ist, muss man trotzdem gewisse Ambitionen an den Tag legen.» 2014 und 2015 nahm er dann mit der Junioren-Nati an der Beach-Europameisterschaft teil. In beiden Jahren wurde er Topscorer bei den Junioren. 2015 nahm er gleichzeitig mit den Junioren und der A-Nationalmannschaft an der Europameisterschaft teil.
Grund genug für die Gemeinde Habsburg, 400 Franken für den Nachwuchssportler locker zu machen. Auch seine Schwester Dimitra erhielt für ihre Leistungen im Handball – seit Kurzem ist sie Mitglied der Juniorinnen-Nationalmannschaft – denselben finanziellen Zustupf. «Ich habe mich sehr gefreut darüber», sagt sie. «Davon konnte ich mir gleich neue Handballschuhe und T-Shirts und Hosen fürs Training kaufen.» Auf ihrem Weg zur Profihandballerin wird sie noch so manches T-Shirt durchschwitzen. Die Flügelspielerin verfolgt ihr Ziel beharrlich, hat genaue Pläne. Sie träumt von einer Verpflichtung in der deutschen Bundesliga, will aber sicher die höchste Stufe in der Nationalmannschaft erreichen und in der Swiss Premium League 1 spielen. Die kleine Wölbung auf der Nase beweist, wie hart sie ihr Ziel verfolgt: Schon dreimal hat sie sich die Nase beim Handball Spielen gebrochen.
Mirko hingegen hat auf diese Saison hin vom TV Endingen in die 1. Mannschaft vom HSG Siggenthal/Vom Stein Baden (NLB) gewechselt. «Ich habe gemerkt, dass ich nicht mehr als dreimal pro Woche trainieren möchte», erklärt er seinen Schritt. «Bei Endingen wären es vielleicht fünf oder sechs Trainings gewesen.» Zu viel für Mirko, der sonst den Spass an seinem Lieblingssport wohl verloren hätte. So bleibt ihm auch die Möglichkeit, sich im Sommer auf dem Sand auszutoben. «Beide Sportarten professionell zu betreiben liegt nicht drin», fügt er an.
Dimitra, die im Sommer auch erstmals auf dem Sand gespielt hat, die Begeisterung dafür aber mit ihrem Bruder nicht teilt, ist bereits erfolgreich in die neue Hallensaison gestartet. Einen klaren 33:22-Sieg setzte es gegen die Spono Eagles ab. Doch jetzt muss sie auf den Zug. Schliesslich ist es in einer Teamsportart auch Ehrensache, pünktlich zum Training zu erscheinen. Erst recht, wenn jemand solche Ambitionen hegt wie Dimitra.