Kunst
Ausstellung im Zimmermannhaus: Der Zufall ist aus Beton gebaut

Der Ausstellungsfrühling hat begonnen. Zum Auftakt bringt das Zimmermannhaus in Brugg die Kunst aus dem Gleichgewicht.

Anna Raymann
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Peter Brunner-Brugg baut Stillleben aus Pappe.

Peter Brunner-Brugg baut Stillleben aus Pappe.

Zvg

Alles neu macht der Mai, so heisst das alte Sprichwort. Die Museen nehmen es sich jedenfalls zu Herzen und starten in einen euphorischen Vernissagen-Frühling. Jetzt, wo der Apéro zurück ist, können sich cleverere Ausstellungsgänger in den nächsten zwei Wochen so manches Häppchen schnappen.

Aber sicher, auch der Kunsthunger wird dabei gestillt – und zwar reichlich. Nicht nur das Aargauer Kunsthaus öffnet demnächst mit «Davor. Darin. Danach.» seine Sammlungsschau. Auch Ausstellungsräume andernorts in Aarau, in Baden oder Wettingen schaffen neue Ein- und Ausblicke. Und so spaziert man dieser Tage durch die Brugger Altstadt, einmal über die Aare, um sich im Zimmermannhaus ein appetitanregendes Amuse-Gueule abzuholen.

Kunst-Frühling

Im Trudelhaus suchen Tatjana Erpen und Neda Razavipour nach dem Besonderen im Alltäglichen (ab 28.4.). In der Beletage im KIFF machen die Illustratorin Anna Sommer und der Comiczeichner Yves Noyau Alltägliches zu Skurrilem (ab 6.5.). Birgit Kempker malt in der Langmatt heitere Sprachbilder (ab 15.5.) und die Galerie im Gluri Suter Huus blickt zum 50. Geburtstag in die Wettinger Kunstsammlung (ab 15.5.). Auch das Aargauer Kunsthaus widmet sich mit «Davor. Darin. Danach.» seiner Sammlung (ab 15.5.).

Eva Maria Gisler (*1983) und Peter Brunner-Brugg (*1946) haben es sich dort für die Ausstellung «fixe fragil» eingerichtet. Das ist eine architektonische Welt, deren strenges Raster in Betongrau sich allerdings schon beim zweiten Blick mit einem selbstironischen Augenzwinkern auflöst.

Beton in stabiler Seitenlage

Denn das schwere Baumaterial – der Beton und das Eisen –, das Eva Maria Gisler auslegt, steht auf wackligen Füssen. Wie dahingeworfene Münzen, die ihr Gleichgewicht auf der schmalen Kante finden; wie der letzte Stein einer Domino-Kette, der dem Schwung trotzt und stehen bleibt. Sind es Glücksfälle oder Missgeschicke? Fast traut man sich nur auf Zehenspitzen durch den Raum, um den heiklen Balanceakt nicht zu stören.

Gisler lässt ihre «Säule» auf der Kante balancieren.

Gisler lässt ihre «Säule» auf der Kante balancieren.

Eva Maria Gisler

Die Künstlerin findet die Ausgangsobjekte für ihre Skulpturen auf ihren täglichen Wegen, ein eigenes Lager hat sie in ihrem Berner Atelier zusammengetragen. Sie mixt und kombiniert die Materialien, um Fragilem Stabilität zu geben. Wo etwas fehlt, giesst sie es aus Beton nach. Die Schaumstoffkante an der Wand wird vom Gewicht eines zierlichen Betonbalkens gehalten. Der gegossene Ring verharrt mitten in seiner Bewegung. Ihre Installationen hätten einen eigenen Charakter, sagt die Künstlerin:

«Sie sind alle ­Individuen, mit sich selbst beschäftigt, mal selbstbewusst, mal verlegen im Raum stehend.»

Eine Reihe von Fotografien findet ähnliche, flüchtige Momentaufnahmen im Alltag. Ein bemalter Lattenzaun, der aus Versehen den Takt seiner Umgebung aufgreift, zwei Bälle vor einem Fenster in einträchtiger Ruhe – einen Augenblick später vielleicht schon wieder verrutscht.

Skyline aus Karton- schachteln

«Schöner Wohnen» heisst der bunte Grundriss aus Karton. Gemeint sei dies im doppelten Sinne, meint Peter Brunner-Brugg schmunzelnd: auf die Architektur bezogen oder an der Wohnzimmerwand eines potenziellen Käufers.

Seit über 30 Jahren schafft der Künstler Objekte aus Pappe und Wellkarton. Mit gut geschärftem Japanmesser baut er daraus Reliefs, die es mit der strengen Geometrie der Per­spektive nicht ganz ernst nehmen: «Die Aussicht auf Einsicht ist Absicht», sagt der Brugger Künstler dazu. Einzelne Schachteln setzt er zu dreidimensionalen Stillleben zusammen, rückt sie zu Fassaden und Skylines zusammen. Aus festen Strukturen wird fragiler Stadtraum.

Fix fragil: 29.4.–5.6. Zimmermannhaus Brugg.