Der Brugger Geiger Sebastian Bohren weitet die Klassikreihe Stretta Concerts aus. Erstmals kommt auch Windisch als Aufführungsort zum Zug.
Im Coronajahr 2020 konnte man von Sebastian Bohrens Konzerten in der reformierten Stadtkirche Brugg nur träumen. Doch nun wartet die von ihm gegründete Reihe Stretta Concerts für die Saison 2021/22 mit einem Programm auf, das die nahezu konzertlose Zeit der jüngeren Vergangenheit vergessen lässt.
So viele Konzerte wie in den kommenden Monaten bis Juni 2022 gab es im Rahmen dieser Reihe noch nie: Es sind acht, für die Bohren grössere bis grosse Besetzungen gewählt hat. Mit einem «richtigen» Orchester startet die Saison am 23. Oktober: «Wie viele Mitglieder der Württembergischen Philharmonie Reutlingen letztlich nach Brugg kommen, werden wir sehen», sagt Bohren und rätselt, «ob es 40 bis 60 sein könnten.» Haben so viele Musikerinnen und Musiker in der Stadtkirche überhaupt Platz? «Das müssen wir ausprobieren. Deswegen ist das erste Konzert ein Pilotprojekt. Klappt es, werden wir künftig noch weitere Orchester einladen können.»
Wer sich ins Programm vertieft, stösst auf klangvolle Namen. Zu denen zählen die Festival Strings Lucerne; das Kammerorchester Basel (im erstmals ausgerichteten Neujahrskonzert am 2. Januar 2022); das Kölner Kammerorchester; die in Brugg längst Heimatrecht geniessenden Chaarts Chamber Artists sowie das Romanian Chamber Orchestra. Mit dessen Verpflichtung ist Sebastian Bohren ein Coup gelungen. Denn der Gründer dieses Klangkörpers, der Rumäne Cristian Macelaru, zählt zu den gefragtesten Dirigenten der Gegenwart. In der Schweiz ist Macelaru jedoch noch nie aufgetreten. Dass er in Brugg ein Werk seines Landsmann George Enescu, Intermezzo, aufführen wird, versteht sich. Mit Polyptyque von Frank Martin ehrt der Rumäne aber auch einen grossen Schweizer Komponisten.
Die Brugger Stretta-Concerts-Tradition, wonach Streichquartette eine wichtige Rolle spielen, wird im März 2022 mit dem Tetzlaff Quartett fortgeführt. Zu dessen Mitgliedern pflegt Sebastian Bohren eine vertrauensvolle Beziehung, weshalb ihm auch die Verpflichtung dieses weltweit renommierten Quartetts nach Brugg geglückt ist. Bohren freut sich – nicht zuletzt deshalb, «weil Christian Tetzlaff für mich über eines der schönsten Piano unter den Geigerinnen und Geigern der Gegenwart verfügt».
Was in keinem Programm der Stretta Concerts fehlen darf, ist das Weihnachtskonzert mit dem Sympathieträger schlechthin, dem Stringendo Zürich und dessen Leiter Jens Lohmann. Bohren hat selbst einmal in diesem Ensemble gespielt, weshalb es bei der erneuten Begegnung zwischen ihm und den blutjungen Musikerinnen und Musikerin nur so funkeln dürfte vor lauter Spielfreude. Das sollte insbesondere bei der Orientalischen Fantasie von Georg Wilhelm Rauchenecker der Fall sein.
Wer, bitte, ist das denn? Bohren lacht: «Der ehemalige Direktor des Musikkollegiums Winterthur. Für uns ist er der Pablo de Sarasate der Schweiz, der mit der Orientalischen Fantasie ein tolles Stück geschrieben hat.» Diese ist ebenso eine Surprise wie jene, die das Orchester aus Reutlingen spielt: die Sinfonie Nr. 1 der Komponistin Emilie Mayer, 1812–1883; ein Werk der Romantik, das, wie Bohren augenzwinkernd anmerkt, «insbesondere Frauen ins Konzert der Reutlinger locken sollte».
Was noch auffällt: Einmal verlassen die Stretta Concerts die Reformierte Stadtkirche Brugg und zwar am 3. Dezember. An diesem Tag feiert Sebastian Bohren seinen 34. Geburtstag und spielt mit den Festival Strings Lucerne ein festliches Programm in der akustisch ausgezeichneten Reformierten Kirche Windisch. Ist der Geburtstag ausschlaggebend für den Domizilwechsel? «Nein», sagt Bohren. «In Brugg finden sehr viele Konzerte statt; da wollen wir auch einen weiteren Konzertort in der nahen Umgebung zum Zuge kommen lassen.» Das bedeute aber nicht, so der Geiger, dass er nach weiteren Sälen im Aargau Ausschau halten werde: «Ich will vielmehr den Standort Brugg stärken – und das mit noch mehr grossen Künstlerpersönlichkeiten.»
Die Repertoireerweiterung – mit zeitgenössischer Musikliteratur, die Bohren künftig vermehrt in seine anspruchsvoll programmierte Reihe einbetten möchte – ist ein weiteres Thema. Doch wie ist all dies finanziell zu stemmen? Bohren:
«Die Basis bilden unsere knapp 80 Gönnerinnen und Gönner, die für ein solides Fundament sorgen. Zudem unterstützen uns die Stadt Brugg, Stiftungen sowie eine Reihe weiterer Finanzgeberinnen und -geber.»
Was ist mit einem Beitrag seitens des Aargauischen Kuratoriums? «Wir bekommen keinen, weil wir keinen Eintritt verlangen, sondern an der Kollekte festhalten wollen.» Damit unterscheiden sich die längst über den Kanton Aargau hinaus bekannten Brugger Stretta Concerts von anderen Konzertreihen. Dieser Umstand, aber auch das Engagement der im Hintergrund wirkenden, unentgeltlich arbeitenden Helferinnen und Helfer macht sie so besonders.
Anmeldung für das Konzert am 23. Oktober (Zertifikatspflicht) in der reformierten Stadtkirche Brugg ab sofort bei: info@strettaconcerts.com; www.strettaconcerts.com.