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Bojan lieh einem Freund vor zwei Jahren 3000 Franken. Nun landete der Fall vor dem Bezirksgericht Brugg: Es musste wegen Anstiftung zur Drohung und versuchter Nötigung verhandeln.
Keines Blickes würdigen sich Bojan und Javor (Namen geändert). Die beiden Mitdreissiger kennen sich seit über 20 Jahren, sind im gleichen Dorf im Bezirk Baden aufgewachsen. Nun stehen die gebürtigen Kroaten vor dem Brugger Bezirksgericht – auf gegenüberliegenden Seiten. Die Anklage lautet Anstiftung zur Drohung, versuchte Nötigung und Nichtabgabe von Kontrollschildern. Gerichtspräsident ist Sandro Rossi. Javor tritt als Privatkläger auf.
Es geht um Geld. Im Oktober 2018 leiht Bojan seinem Jugendfreund 3000 Franken. Vereinbart wird die Rückzahlung «demnächst oder in naher Zukunft», wie Javor sagt. Seine finanziellen Möglichkeiten reichen allerdings nicht aus, Bojan das Geld zeitnah zurückzugeben. Zwischen dem 11. Februar und dem 6. März 2019 erhält Javor mehrere anonyme Anrufe.
Die unterschiedlichen, Javor unbekannten Anrufer fordern ihn auf, Bojan das Geld unverzüglich zurückzuzahlen. «Wir werden dich finden», sagt einer der Anrufer. Ein anderer fügt an, «dass es nicht gut für Javor aussähe». Bei einem weiteren Gespräch behauptet der Anrufer gar, direkt vor dem Haus zu stehen. Beim letzten Anruf schreit der Unbekannte regelrecht ins Telefon, betitelt den Geschädigten als «Hurensohn» und droht damit, ihn umzubringen.
Alle Anrufer kennen den vollen Namen des Beschuldigten sowie den genauen Betrag der Forderung. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass diese Männer von Bojan angestiftet wurden. Am 4. März ruft Bojan persönlich viermal an und erinnert den Geschädigten an seine Schulden. «Am Anfang habe ich es nicht ernst genommen», sagt der Geschädigte. «Aber als immer mehr solcher Anrufe kamen und Drohungen ausgesprochen wurden, wurde mir mulmig.» Javor schränkt sich zusehends ein, vermeidet Orte, an denen er sich üblicherweise aufhält. «Ich habe mich nur noch von A nach B bewegt.» Selbst heute will er nicht, dass Bojan weiss, wo er wohnt.
Am 8. März taucht der Angeklagte spätabends an der Adresse von Javors Mutter auf. Sie fragt ihn nach dem Grund seines Erscheinens. Bojan, den sie jahrelang nicht gesehen hat, erkennt sie im Dunkeln nicht. «Dein Sohn schuldet mir Geld», sagt dieser mit eisiger Stimme. «Javor wohnt nicht mehr zu Hause», erwidert die Mutter und versucht, die Situation zu beruhigen. Dennoch wird der Angeklagte immer lauter, fängt an, Drohungen gegen ihren Sohn auszusprechen. Nach einer halben Stunde stösst ihr jüngerer Sohn dazu.
Auch ihm gegenüber wiederholt Bojan seine Drohungen: «Ich werde deinen Bruder finden und er wird danach einen Kopf kürzer sein.» Bis zum 10. März solle Javor ihm das Geld geben, sonst würde es «nicht gut für ihn enden». Die Mutter informiert noch am gleichen Abend den Geschädigten über den Vorfall. Dieser erstattet am nächsten Tag Anzeige. «Es kann nicht sein, dass er meine Familie mit reinzieht», sagt Javor.
Bojan bestreitet, dem Geschädigten mit dem Tod gedroht zu haben. «Von körperlicher Gewalt war nie die Rede.» Gerichtspräsident Rossi sieht jedoch den Tatvorwurf der versuchten Nötigung als erwiesen. Die Anstiftung zur Drohung könne man Bojan nicht nachweisen. «Es ist nicht sicher, dass der Angeklagte diese unbekannten Anrufer beauftragt hat.»
Zusammen mit einer fallunabhängigen Nichtabgabe eines entzogenen Kontrollschilds an das Strassenverkehrsamt wird der Angeklagte zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 60 Franken und einer Busse von 2000 Franken verurteilt. Zudem hat er dem Geschädigten eine Genugtuung von 300 Franken zu bezahlen. Die Probezeit beträgt vier Jahre. «Ich rate Ihnen, auf dieses Mafia-Inkasso zu verzichten», sagt Rossi zum Schluss der Verhandlung.