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Die neue «Miss Argovia» ist der grosse Star auf dem Aarhof von Martina und Willi Hartmann in Schinznach-Dorf. Bereits 2017 konnte die Stute Cardenta den Titel der Vize-Miss Argovia ergattern.
«Es ist eine Bestätigung für die jahrelange Arbeit», sagt das Ehepaar Martina und Willi Hartmann einstimmig. Der September war für die Pferdezüchter aus Schinzach-Dorf ein sehr erfolgreicher Monat. Nicht nur wurde mit Aarhof’s Clooney ein Hengst vom Zuchtverband des Schweizer Sportpferds zur Zucht zugelassen, was einem Ritterschlag für jeden Züchter gleichkommt, sondern auch die Schimmelstute Aarhof’s Cicera zur «Miss Argovia 2020» gekürt, der schönsten Jungstute des Kantons. An der Wand im Esszimmer der Familie hängt prominent ihre Siegerschleife.
Zahlreiche weitere Pokale und Medaillen zeugen von den Zucht- und Sporterfolgen der Hartmanns. Bereits 2017 konnte die Stute Cardenta den Titel der Vize-Miss Argovia ergattern. «Es ist sicher schön und wir haben grosse Freude an den Titeln, aber was in der Sportpferdezucht wirklich zählt, ist Leistung», sagt Willi Hartmann.
Mit ihren zweieinhalb Jahren darf Cicera noch die Kinderstube geniessen und wird erst im nächsten Frühling sorgfältig eingeritten. «Anpaaren ist wie kochen: Ohne die richtigen Zutaten und Quäntchen Glück gelingt kein Rezept», erklärt der 54-Jährige seinen Zuchterfolg.
Nebst strenger Selektion blicken die Hartmanns auf eine lange Geschichte in der Pferdezucht zurück. 1935 legte Grossvater Stefan Hartmann mit dem Bau des Aarhofs auf der Ebene zwischen Schinznach-Bad und Schinznach-Dorf den Grundstein für die heutigen Errungenschaften. Mit damals acht Kühen und fünf Kälbern zog die Familie ein. Im Laufe der Jahre wurde der Betrieb laufend ausgebaut und mit der Pferde- und Schweinezucht erweitert.
Waren es zunächst noch Arbeitspferde, die gezüchtet wurden, um die heimischen Äcker zu bewirtschaften, entwickelte sich die Zucht der Familie immer mehr zur Sportpferdezucht, nachdem Stefan Hartmann nach dem Zweiten Weltkrieg Stuten aus der Hochburg der Springpferdezucht Holstein importiert hatte. Noch heute gehen einige der Stutenlinien im Stall der Hartmanns auf diese Anfänge zurück. Mit der Entdeckung des Hengstes Calando II, ebenfalls ein Holsteiner, Ende der 70er-Jahre bewies auch Willis Vater, Willi senior, sein gutes Auge für die Zuchtauswahl. Mit über 800 Nachkommen, viele davon bis zur schwersten Klasse erfolgreich, revolutionierte der Hengst die Schweizer Pferdezucht - weg vom Arbeits-, hin zum Reit- und Sportpferd.
Kennengelernt haben sich Willi und Martina Hartmann bereits im Jugendalter anlässlich der Trainingsspringen bei Martinas Vater Jürg Maurer. Die beiden Kinder Nico und Gioia sind ebenso pferdebegeistert und helfen fleissig auf dem Betrieb mit. Die Pferdezucht ist zwar die grosse Leidenschaft der Hartmanns, sie soll aber rentabel betrieben werden. «Es ist unser vierter Betriebszweig, nebst Milchviehhaltung, Schweinezucht und Acker- und Gemüsebau», sagt der Meisterlandwirt. Fünf bis zehn Fohlen erblicken jährlich auf dem Aarhof das Licht der Welt.
«Die Qualität der Schweizer Sportpferde hat in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen», sagt Willi Hartmann. Dass dennoch immer noch selten ein Schweizer Pferd unter einem Schweizer Topreiter anzutreffen ist, erklärt er mit dem Sprichwort, dass der Prophet im eigenen Land nichts wert sei. Die erfolgreichsten Pferde der Hartmanns sind denn auch im Ausland anzutreffen. So startet etwa der ebenfalls gekörte Hengst Caliano unter Valentin Besnard für Frankreich oder Calgary von Aarhof, der unter dem Sattel von Gyoergy Koermendy an der Europameisterschaft 2003 in Donaueschingen teilnahm, für Ungarn. Die Stute Barcelona von Aarhof ist unter dem Deutschen Adrian Schmid international erfolgreich.
Obwohl die Mutterstute einen grösseren genetischen Einfluss auf das Fohlen hat, investieren die Hartmanns ebenfalls viel Zeit in die Wahl des richtigen Hengstes. Nach einer Vorselektion aufgrund der Abstammung, Eigen- und Verwandtenleistung, legen sie nicht selten in ihrer spärlichen Freizeit Hunderte Kilometer zurück, um den potenziellen Vater vor Ort zu begutachten, bevor sie sich für einen Zuchteinsatz entscheiden. «Beide, Stute und Hengst, müssen Gesundheit, Leistung, Charakter und die richtige Einstellung zum Sport mitbringen.» Geachtet wird vor allem auf einen hohen Anteil an englischem Vollblut, der zähe und wendige Pferde hervorbringen soll.
Trotz all der Planung sei die Zucht eine Wissenschaft, bei der 1+1 nicht immer 2 ergebe. Es sei vielmehr ein Puzzle mit vielen Teilen, wobei die Genetik nur eines davon sei. «Umwelteinflüsse wie eine artgerechte Aufzucht und Fütterung, eine schonende Ausbildung sowie die spätere Wahl des Reiters prägen die Karriere eines zukünftigen Sportpferds ebenso», sagt Hartmann. Mit dem Kauf eines Pferds bei einem ausgewiesenen Züchter, habe man einen besseren Einblick, könne auch die Mutterstute und Aufzuchtbedingungen kennen lernen.
Da die Hartmanns auch von der Pferdezucht leben, steht grundsätzlich jedes Pferd im Stall zum Verkauf. «Es ist halt immer eine Preisfrage», sagt Willi Hartmann. Seine Frau tut sich bei der Cicera allerdings schwer mit dem Gedanken: «Sie ist mein absolutes Seelenpferd, schon seit sie geboren ist.» Gut möglich also, dass die «Miss Argovia» dem Aarhof und dem Aargau erhalten bleibt.