Der vom «Gault Millau» ausgezeichnete Winzer Tom Litwan folgt bei der Weinproduktion konsequent seiner biodynamischen Überzeugung. Und damit hat er einen steilen Gang.
Von «Gault Milliau» ist Tom Litwan zu den «100 besten Schweizer Winzern» gewählt worden. Mit seinen Bioweinen werde er in der Weinszene «als neuer Schweizer Shootingstar gehandelt». Solches Lob bringt ihn nicht zu Luftsprüngen, aber: «Es ist sicher eine Bestätigung meiner Arbeit», meint der 35-Jährige bescheiden.
«Extrem grosse Freude» hat Litwan dann, «wenn jemandem mein Wein gefällt.» Das ist öfters der Fall – obwohl die Litwan-Weine nur bei Händlern in Baden und Zürich erhältlich sind. Gepresst und gekeltert werden die edlen Tropfen im Betrieb von Claudio und Kathrin Hartmann in Schinznach-Dorf. Aber der Winzer will seine ganze Energie im Rebberg und im Weinkeller einsetzen – und überlässt darum den Verkauf anderen.
Vom Maurer zum Winzer
Erst über Kurven und Schlaufen fand Tom Litwan seinen Weg in die Rebberge und die Welt des Weins. Nach der Bezirksschule in Aarau «wollte ich nicht unter Neonlicht hocken, sondern draussen mit den Händen arbeiten», sagt er. Darum machte er eine Lehre als Maurer.
Bei einem längeren Aufenthalt im Burgund «habe ich den Wein als einmaliges Kulturgut und wunderbares Genussmittel entdeckt», erinnert sich Litwan an die Initialzündung.
Seine Zusatzausbildung als Winzer begann auf einem biologischen Betrieb am Bielersee, für den Abschluss wechselte er zum grössten Bio-Weinbauern in Genf. Mit dem nötigen Fachwissen, auch dank der Fachschule für Önologie, bekam Litwan in Genf für acht Jahre einen Superjob als Kellermeister.
Per Zufall nach Schinznach-Dorf
Eigentlich träumte der Jungwinzer von einem Rebberg im Burgund. Doch als eine Kollegin aus der Fachschule Wädenswil um eine freie Rebparzelle in Schinznach wusste, griff er zu. In den wenigen Jahren seit 2006 hat der Rebbauer zahlreiche Parzellen in fünf Gemeinden zugepachtet, über das Schenkenbergertal hinaus bis nach Elfingen.
«Fast drei Hektaren sind es heute, mit 80 Prozent der Traubensorte Pinot Noir und 20 Prozent Riesling-Sylvaner und Chardonnay», berechnet Tom Litwan die Fläche.
In Wittnau kauft er Trauben von einem Rebbauern, der ebenfalls biodynamisch produziert. Nach einem raschen Aufbau denkt er jetzt an eine Phase der Konsolidierung.
Als Erster weit und breit hat Tom Litwan mit Freunden und Bekannten die Riesling-Trauben für den Wein 2013 schon geerntet. «Die Trauben waren schön reif, das allein zählt für mich», betont der Newcomer. Den biodynamischen Anbau pflegt Litwan aus voller Überzeugung, im Bestreben, einen natürlichen Kreislauf zu erreichen.
Fremddünger gibt es in seinen Rebbergen nicht, das sich im Herbst verfärbende Laub sei die normalste Sache der Welt. «Denn irgendwann sind die Reserven der Rebstöcke am Ende», gibt er zu bedenken. Ohne Spritzmittel aus Kupfer gehe es im Bioanbau allerdings nicht, aber mit dem Schutz aus Biomitteln werde der Einsatz tief gehalten.
Bei der Mengenbeschränkung treibt es der in der Fachwelt gefeierte Litwan auf die Spitze: «300 bis 600 Gramm beim Pinot Noir und 500 bis 800 Gramm pro Quadratmeter genügen, um den hohen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden.»
Unkonventionell ist er auch bei den Öchslezahlen (Zuckergehalt), die er nicht als das Mass aller Dinge sieht. «Beim Pinot genügen 12,5 bis 13 Prozent Alkohol, der Wein muss filigran sein, ich will keine tiefrote Farbe», lautet seine Überzeugung – die vom Mainstream deutlich abweicht.
Keltern nach eigenem Gusto
Weder Färbertrauben noch andere Hilfsmittel verdunkeln seinen hellen Rotwein. «An einer Expovina hätte ich schon von der Farbe her keine Chance. Aber ich sehe nicht ein, warum ein dunkler Wein besser sein soll als ein heller», erklärt Tom Litwan seine Philosophie.
Natürlich könnte er auch Weine keltern, «die mehr knallen, aber ich will aromatische Tropfen, die ich selber mag». Die Pinots baut er meist in alten Eichenfässern aus, um über das Holz Sauerstoff zum Wein zu bringen.
Übrigens: Litwan ist kein Künstlername. «Mein Ururgrossvater kam aus dem Gebiet Österreich-Ungarn in die Schweiz.» Weil er sich für das Leben auf dem Land noch zu jung fühlt, wohnt Litwan mit seiner Freundin in Zürich und schätzt die pulsierende Grossstadt.
Durch seine Anbaumethode hat Tom Litwan die Riesling-Sylvaner-Trauben früher geerntet als die meisten Rebbauern. «Auch für Sauser wurden in Birmenstorf und im Schenkenbergertal schon weisse Trauben geschnitten», sagt der Aargauer Rebbaukommissär Peter Rey. Die Öchsle für den Zuckergehalt sind in den letzten Wochen deutlich gestiegen. «Bereits werden 75 bis 80 Öchsle gemessen, die Säurewerte sind noch relativ hoch», erklärt Rey und freut sich auf spritzig-rezente Weine. Qualitativ und mengenmässig sei das Weinjahr 2013 bei den Riesling-Trauben gerettet. Bei schönem Wetter könnte die Ernte beginnen. Weil sie so spät ist wie nie in den letzten Jahren, kommt es am kommenden Wochenende zur zeitlichen Kollision mit dem Winzerfest Döttingen. Viele Aargauer Rebbauern sind am dreitägigen Fest engagiert, vor allem am Samstag, wenn der Winzermarkt mit über 100 Ständen im Zentrum von Döttingen stattfindet.
Der grosse Winzerumzug vom Sonntag wird schon zum 62. Mal durchgeführt und ist der grösste in der Deutschschweiz. Ab 14 Uhr widmen sich die 61 Sujets primär den Trauben und dem Wein, wobei vor allem die blumengeschmückten grossen Wagen den Zehntausenden von Besuchern gefallen. Für Feststimmung sorgen zahlreiche Musikgesellschaften im verkehrsfreien Döttinger Zentrum.
Um rund zwei Wochen verspätet sind auch die Blauburgunder-Trauben: «Ab Mitte Oktober wird die Vorlese beginnen», sagt Peter Rey, Leiter der Fachstelle für Weinbau. «Reben und Trauben sind dank der kalten Nächte gesund, die Haupternte wird erst Ende Oktober stattfinden, es kann auch Anfang November werden», betont der Fachmann. Und damit kommen die Pinot Noir einen Monat später in die Trotten als in den Vorjahren. (Lü.)