Montagsporträt
Dieser Brugger fährt pro Jahr 20'000 Kilometer mit dem Velo

Der Brugger Urs Himmelrich legt mit seinem Rennrad gegen 20'000 Kilometer pro Jahr zurück. Der 59-Jährige hat sein Pensum schrittweise erreicht.

Max Weyermann
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Velofahren ist mehr als nur ein Hobby für Urs Himmelrich.

Velofahren ist mehr als nur ein Hobby für Urs Himmelrich.

Max Weyermann

«Wenn ich einmal nicht Velo fahre, merke ich schnell, dass mir etwas fehlt.» Diese Aussage von Urs Himmelrich leuchtet ein, wenn man weiss, dass der 59-jährige Softwareentwickler und IT-Spezialist unter der Woche ziemlich regelmässig per Carbon-Rennrad zwischen Brugg und seinem Arbeitsort in Zürich Wiedikon hin und her pendelt und auch an Samstagen und Sonntagen sowie in den Ferien weite Strecken zurücklegt.

Welche Bedeutung dem Radsport im Leben des Bankangestellten zukommt, geht aus seiner Homepage «Als Aargauer unterwegs. Spass auf schmalen Reifen» hervor, auf welcher er täglich mit Texten und Fotos über seine Fahrerlebnisse berichtet. Via Twitter, Facebook und Google+ und andere Internetdienste erhält er zu seinen Reports immer wieder anerkennende Kommentare wie diesen: «Hut ab, Urs, ich bewundere deine Leistung!»

70 Kilometer Arbeitsweg

Trotz des schon vielfach erhaltenen Lobes bleibt Urs Himmelrich bescheiden und verweist darauf, dass noch erheblich «angefressenere Radler» existieren als er mit seinen rund 20 000 Kilometern pro Jahr. Sein heutiges Pensum hat er schrittweise erreicht: «Als ehemaliger Armee-Radfahrer war ich nach meiner im Alter von 32 Jahren erfolgten Ausmusterung vorerst sportlich nicht mehr sehr aktiv. Mit 49 erlebte ich dann diesbezüglich ein Revival und begann, wieder regelmässig zu trainieren. Unter anderem setzte ich mir als Lebensziel, alle 2000er-Pässe zwischen Österreich und Portugal per Velo zu überqueren.» Die sukzessive Steigerung seines Trainings habe im September 2013 zum definitiven Switch geführt. Seither spule er praktisch immer von Montag bis Freitag die jeweils 2 mal 35 Kilometer zwischen Wohn- und Arbeitsort ab.

Den Hinweg nimmt Urs Himmelrich üblicherweise morgens um 6 Uhr unter die Räder; er trifft gegen halb acht in Zürich ein, was einen respektablen Stundendurchschnitt von 25 Kilometern ergibt. Dann duscht er, zieht sich um und geht dann ins Büro. Die Rückkehr nach Brugg zu seiner Frau Felicitas erfolgt um ca. 19 Uhr. Am Abend erledigt er dann noch die WebsiteArbeiten.

So motiviert sich Urs Himmelrich für diese Parforceleistung, die zusätzlichen Rundfahrten an Wochenenden und Fernfahrten in den Ferien: «Das Anpeilen eines Ziels und das Wollen sind entscheidend, es darf kein Müssen sein.» Eine wichtige Rolle spielt für ihn nebst der körperlichen und geistigen Fitness auch der Gedanken- und Erfahrungsaustausch in Radfahrer-Communities wie «Strava».

Dabei handelt es sich um ein in San Francisco domiziliertes, soziales Netzwerk zum internetbasierten Tracking von Radtouren oder Laufeinheiten. Die zurückgelegten Strecken können von den Mitgliedern über eine mobile Applikation für Smartphones oder einen kompatiblen GPS-Empfänger samt Informationen zu Dauer, Steigung, Geschwindigkeit oder Kalorienverbrauch abgespeichert und auch auf der Homepage sichtbar gemacht werden. Anschliessend besteht die Möglichkeit, die Daten detailliert auszuwerten und die eigene Leistung mit jener von anderen Usern zu vergleichen. Die Veröffentlichung in Bestenlisten trägt ebenfalls zur Steigerung der Leistungsbereitschaft bei.

Tagestour über 300 Kilometer

So peilt Urs Himmelrich nach einer eintägigen 260-Kilometer-Rundfahrt über den Klausenpass nun eine Tagestour über 300 Kilometer an. Zudem hat er innert zweieinhalb Jahren sämtliche 220 Aargauer Ortschaften besucht und als Dokumentation an jeder Station das Gemeindehaus, die Kirche, ein Restaurant und einen Brunnen fotografiert. Ob daraus irgendwann eine Publikation resultiert, weiss er noch nicht.

Die Teilnahme am Winterpokal, welcher vom 3. November 2014 bis zum 29. März 2015 einmal mehr von den Betreibern zweier Websites – darunter von Rennrad-News – organisiert wird, ist für Urs Himmelrich eine weitere Motivationshilfe, trotz niedriger Temperaturen regelmässig Sport zu treiben. Die addierten und in einer Wertung zusammengefassten Fahrzeiten geben Auskunft über die in den fünf Monaten erbrachte Leistung. Auch die Familie unterstützt mit ihrer positiven Einstellung die aussergewöhnlichen Aktivitäten des Brugger Pedaleurs.

Kein Grüner, kein Asket

Eigentlich hätte Urs Himmelrich für seine umweltfreundliche, aber physisch anforderungsreiche Fortbewegung einen Orden verdient. Ist er denn ein Grüner oder gar ein Asket? Darauf angesprochen meint er schmunzelnd: «Ich bin nicht extrem grün orientiert, lege aber grossen Wert auf die Beachtung ökologischer Werte. Und ein feines Essen mit einem guten Tropfen gehört für mich zum Lebensgenuss.»

In Brugg bekannt geworden ist Urs Himmelrich als Präsident der römisch-katholischen Kirchgemeinde. Nachdem er dieses Amt von 1998 bis 2006 ausgeübt hatte, ist er nun noch Delegierter für die Wahlen in die Synode und in die Kirchenpflege. Die Bezugnahme auf seinen Nachnamen entlockt ihm wieder ein Lächeln: «Ich hatte ab und zu Reaktionen von Leuten, welche mir sagten, er passe bestens zu meinem kirchlichen Engagement.»

Der Glaube und das friedliche Miteinander der Menschen, gleich welcher Religion, sind für Urs Himmelrich wichtig. Er sieht jedoch in verschiedenen kirchlichen Bereichen Optimierungsmöglichkeiten. Der Sinn des Daseins liege für ihn in einem erfüllten Leben, das nebst der Selbstfindung auch die Achtsamkeit gegenüber den Mitmenschen und der Schöpfung einschliesst.

Mit Blick in die Zukunft erwähnt Urs Himmelrich seine in wenigen Jahren bevorstehende Pensionierung: «Auch danach möchte ich noch sportlich aktiv bleiben, meine Erfahrungen eventuell in eine Velogruppe einbringen und natürlich das Familienleben und meine Internet-Domain weiter pflegen.»