Der 4. Lateintag hat gezeigt, dass sich auch die Jugend für die alte Sprache interessiert. Um die 700 Personen haben sich auf dem Campus (lat. Feld) eingefunden, um dem Thema «Die Kunst zu lieben» auseinanderzusetzen.
Ovid zieht ganz offensichtlich: Im Vortragssaal im Untergeschoss des Campus wirds jedenfalls eng. Zusätzliche Stühle müssen herbeigeschafft werden. Der Blick ins Publikum dürfte Pius Meyer, den OK-Präsidenten des Lateintags, sehr freuen: In den dichten Reihen sitzen vor allem junge Leute. Das dürfte natürlich mit dem Thema des Kurses – «ars amatoria» oder «Die Kunst zu lieben» – zusammenhängen.
Immerhin wird da Antwort auf die nicht unwichtige Frage versprochen, ob Ovids Flirt- und Beziehungstipps heute noch gültig sind. Hinter dem Kurs steht die Maturaarbeit von Muriel Beaud und Valeria Sogne an der Kantonsschule Wettingen. Muriel Beaud stellt gewandt die Untersuchung vor.
Ovids ars amatoria ist nur eines der vielen Kursangebote des Lateintages. Da geht es, um nur einige Beispiele zu erwähnen, um den «Brand Roms in Hollywood und bei Tacitus», um die «Übertragung moderner Begriffe», wie etwa Smartphone oder U-Bahn, «in elegantes Latein» oder aber um einen Polit-Skandal aus dem Rom des Jahres 62 vor Christus.
Da wird, anhand einer liturgischen Parodie aus dem Codex Buranus, der Beziehung der Parodie zu christlichen Werten nachgegangen und der Schluss gezogen, dass «die Zielscheibe der Parodie nicht das Evangelium ist, sondern es die Leute sind, die dieses Evangelium pervertieren». Und im Kurs «Latein in der Medizin» wird auf höchst unterhaltsame Weise gleichzeitig sprachliches und anatomisches Wissen vermittelt: «Ubi pus, ibi evacua» – wo Eiter ist, entleere ihn.
«Der erste Eindruck ist sehr positiv», sagt Pius Meyer, der OK-Präsident des 4. Schweizerischen Lateintages in der Mittagspause. «Die Zahl der Anmeldungen liegt um rund 100 höher als vor zwei Jahren. Das bedeutet, dass um die 700 Personen da sind. Auch die Stimmung ist erfreulich. Die Besucherinnen und Besucher schätzen sicher auch die Grosszügigkeit des Campus, dessen Infrastruktur erstmals für den Lateintag genutzt werden kann.»
Ziel des Lateintages sei es eindeutig, ein jugendliches Publikum zu gewinnen, erklärt Pius Meyer, der an der Bezirksschule Entfelden unterrichtet und als Dozent für Fachdidaktik Latein an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz in Brugg-Windisch tätig ist – und der sich darüber freut, dass er unter den Besucherinnen und Besuchern auch einige seiner Schülerinnen und Schüler gesehen hat.
«Ziel des Lateintags ist es aber auch, nicht bloss Insider anzusprechen, sondern ebenso Leute, die mit dem Latein nicht so viel am Hut haben», betont Pius Meyer. «Auch sie sollen begeistert nach Hause gehen».
Die Maturandin Muriel Beaud ist inzwischen beim Fazit ihrer wissenschaftlichen Untersuchung über die «Kunst zu lieben» angelangt. «Ovid ist stets noch aktuell», stellt die junge Frau abschliessend fest. «Und er ist aufgeschlossener als die Pickup-Artists, die sich von starren Regeln bessere Chancen in der Kunst der Verführung versprechen.» Wenn’s da noch einen Beweis dafür braucht, dass Latein aktuell ist.