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Das Bezirksgericht Brugg nimmt einem bald 21-jährigen Albaner nicht ab, dass er nur für Ferien in die Schweiz gereist ist und verweist ihn des Landes.
Ist Mergim (Name geändert) ein nichts ahnender Tourist? Oder doch ein krimineller Drogenläufer? Mit dieser Frage hat sich das Bezirksgericht Brugg beschäftigt. Zur Last gelegt wurden dem Beschuldigten, einem gebürtigen Albaner, qualifizierte Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes.
Der schlanke, bald 21-Jährige mit den kurzen Haaren erschien sportlich, komplett in Schwarz gekleidet vor dem Gesamtgericht. Begleitet wurde er von zwei Polizisten. Anwesend im Saal waren neben Staatsanwalt, Verteidiger und Dolmetscher auch – ebenfalls mit einem Rechtsanwalt an der Seite – Reto (Name geändert), ein Mann aus der Region, der als Auskunftsperson auftrat. In dessen Wohnung ging Mergim im Oktober 2018 ein und aus. Gemäss Anklageschrift besassen die beiden Männer insgesamt über 500 Gramm eines Heroingemisches, das von Mergim in seiner Funktion als Drogenläufer hätte ausgeliefert werden sollen.
In der Befragung durch Gerichtspräsident Sandro Rossi verhielten sich die beiden Männer eher wortkarg, viele Aussagen blieben trotz hartnäckigem Nachfragen vage und widersprüchlich. «Das weiss ich nicht mehr» oder «daran erinnere ich mich nicht» war mehrmals zu hören.
Woher er Mergim kenne, wie oft er sich bei ihm aufgehalten habe, wie viele Drogen-Lieferungen es gab, wie gross die Menge war, wer das Heroin brachte, wohin es hätte geliefert werden sollen – auf all diese Fragen konnte Auskunftsperson Reto keine klaren Antworten geben. Ob seine Wohnung als Drogenhöhle bezeichnet werden könnte, bejahte er aber: «Das ist zutreffend.»
Über 500 Gramm eines Heroingemisches befanden sich in einer Wohnung in der Region.
Männer aus Albanien, so Reto, hätten sich bei ihm frei bewegen können. Das Heroin für seine eigene Sucht – Reto hat bereits drei stationäre Massnahmen hinter sich – habe er im Gegenzug so relativ günstig erhalten. Mergim hätte die Drogen vermutlich im Hinterzimmer abgepackt, führte Reto aus. Gesprochen hätten sie nicht allzu viel, nichts Weltbewegendes. Es sei um Heroin gegangen. Übersetzt hätten sie mithilfe von Mobiltelefonen.
Dass er Drogen konsumiert hat, gab Mergim zu: Kokain und Haschisch. In die Schweiz gekommen sei er aber als Tourist, um zu spazieren, versicherte er. Mit dem Zug sei er über Solothurn und Olten in die Region gelangt und habe Reto getroffen. Das sei sein Unglück gewesen, hielt Mergim fest. In der Wohnung sei er sieben- bis achtmal gewesen, um Marihuana zu rauchen.
Was es mit einem Foto auf sich hat, das er mit seinem Mobiltelefon aufgenommen hat und auf dem Geldscheine auf einem Bett zu sehen sind, konnte Mergim nicht schlüssig beantworten. Es habe sich um sein Geld gehandelt, um 1100 bis 1200 Franken, die er aus Albanien mitgebracht habe. Auch wieso sich bei seiner Verhaftung Rückstände von Heroin unter seinen Fingernägeln befanden, wusste er nicht zu erklären. Vielleicht habe er in der Wohnung einmal einen Gegenstand, etwa einen Schlüssel, angefasst.
In der Justizvollzugsanstalt Lenzburg, in der er sitze, gehe es ihm sehr gut, führte Mergim aus. Sein Alltag bestehe aus Karten spielen, fernsehen, lesen und spazieren. «Es tut mir sehr leid, was ich getan habe», liess er übersetzen.
Für den Staatsanwalt bestand kein Zweifel daran, dass der Beschuldigte wegen Drogenhandels in die Schweiz gereist ist. Seine Ausführungen seien abwegig und nicht überzeugend. Zudem sei er weder geständig, noch sei Reue ersichtlich. Der Verteidiger indes sprach von unbegründeten Spekulationen. Es könne nicht nachgewiesen werden, dass sein Klient Drogen besessen habe. Auch habe er keine Anstalten getroffen, Heroin auszuliefern und zu verkaufen.
Das Gesamtgericht kam einstimmig zum Schluss, dass der bald 21-Jährige schuldig ist bezüglich der qualifizierten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Er sei nicht zufällig in die Schweiz gekommen und auf den Mann aus der Region gestossen. Seine Aufgabe sei es vielmehr gewesen, Betäubungsmittel zur Weiterverteilung abzupacken.
Als angemessen erachtete das Gericht eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten, eine Busse von 200 Franken sowie eine Landesverweisung – gültig für den Schengenraum – für 7 Jahre. Zusätzlich fasste das Gericht den Beschluss, den Albaner aus der Haft zu entlassen. Dieser musste also unmittelbar nach der Verhandlung ausreisen.