LKW-Crash
Der tödliche Unfall im Schinznacherfeld-Tunnel wird nie geklärt

Musste der Lastwagen-Chauffeur sterben, weil sich beim Sattelschlepper vor ihm eine automatische Vollbremsung auslöste? Das wird nie restlos geklärt werden. Staatsanwaltschaft hat das Strafverfahren nach Gutachten eingestellt.

Claudia Meier
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Mit seinem Tanklastwagen prallte ein 36-jähriger Fahrer im Februar 2015 auf einen Sattelzug und wurde getötet. Keystone

Mit seinem Tanklastwagen prallte ein 36-jähriger Fahrer im Februar 2015 auf einen Sattelzug und wurde getötet. Keystone

KEYSTONE

Bei einer heftigen Auffahrkollision im Februar 2015 auf der A3 in Fahrtrichtung Zürich kam ein 36-jähriger Chauffeur aus dem Kanton Glarus im Schinznacherfeld-Tunnel ums Leben. Der Fahrer des vorausfahrenden deutschen Sattelmotorfahrzeugs, ein 32-jähriger Ungar, wurde nicht verletzt und konnte durch die Kantonspolizei Aargau zum Ablauf befragt werden. Zur Klärung des Unfallhergangs eröffnete die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach eine Strafuntersuchung. Die beteiligten Fahrzeuge wurden sichergestellt.

Wenige Tage nach dem Unfall wurde die Vermutung laut, wonach eine automatische Vollbremsung des vorderen Lastwagens zur heftigen Kollision geführt habe – ausgelöst durch einen Defekt in der Elektronik und/oder einen herumwirbelnden Gegenstand. Der nachfolgende Schweizer Chauffeur sei durch den abrupten Stopp überrascht worden. «In der Zwischenzeit ist der Fall abgeschlossen», sagt Elisabeth Strebel, Mediensprecherin der Staatsanwalt, auf Nachfrage der az.

Das Strafverfahren sei bereits Ende Februar 2016 eingestellt worden und ist nun in Rechtskraft erwachsen. Die Staatsanwaltschaft hatte laut Strebel im Rahmen der Strafuntersuchung ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die naheliegende Frage zu klären, ob der Notbremsassistent des vorausfahrenden Fahrzeugs unvorhergesehen ausgelöst wurde. «Diese Frage konnte aufgrund der durchgeführten Versuchsreihe leider nicht abschliessend geklärt werden», so Strebel weiter. Da die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft jedoch ergaben, dass beim Beschuldigten im Zusammenhang mit der Auffahrkollision ohnehin kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten festzustellen war, sei das Strafverfahren letztlich eingestellt worden.

Keine zweifelsfreie Rekonstruktion

Mit andere Worten: Die Staatsanwaltschaft konnte nicht restlos klären, wie es genau zum Unfall gekommen ist. Auch die Version, wonach ein herumgewirbelter Gegenstand den Notbremsassistenten ausgelöst haben könnte, stand im Raum und erschien zumindest nicht unplausibel. «Sie konnte aber im Rahmen einer von der Staatsanwaltschaft angeordneten Versuchsreihe nicht zweifelsfrei rekonstruiert werden», erklärt Elisabeth Strebel.

Der Badener Ingenieur Hubert Kirrmann ging damals gegenüber der az noch einen Schritt weiter und sah das Problem im fehlenden Selbstbremssystem beim hinteren Lastwagen. Denn Lastwagen und Busse aus dem EU-Raum mussten damals schon über einen Notbremsassistenten verfügen.

Notbremsassistent ist Passivsystem

Das Bundesamt für Strassen (Astra) verweist im Zusammenhang mit dem tragischen Unfall im Schinznacherfeld-Tunnel auf die Ausrüstungspflicht für Lastwagen. «Seit dem 1. November 2015 müssen alle importierten oder in der Schweiz hergestellten Fahrzeuge mit einem Notbremsassistenten ausgerüstet sein», sagt Astra-Mediensprecher Thomas Rohrbach. Dadurch werde der Mensch aber noch lange nicht aus der Pflicht genommen, denn der Notbremsassistent sei ein Passivsystem, das grundsätzlich nur zum Einsatz kommt, wenn der Chauffeur auf die Bremse tritt.

Ein grosses Problem auf den Autobahnen ist, dass der Mindestabstand zwischen den Fahrzeugen nicht eingehalten wird. Rohrbach betont: «Die Berufschauffeure sind oft einem grossen Druck ausgesetzt. Wer im Windschatten fährt, kann vielleicht im besten Fall ein paar Liter Diesel sparen, begibt sich aber in Todesgefahr, weil der verfügbare Bremsweg schlicht zu kurz ist.»

Zwar gibt es laut Astra-Mediensprecher auch in der Schweiz Bestrebungen und erste Projekte Richtung selbstfahrende Fahrzeuge. Aber bis das eines Tages praxistauglich sein wird, brauche es einerseits noch viel technisches Know-how und andererseits Gesetzesänderungen. «Jedes autonome Fahrsystem stösst heute noch irgendwo an Grenzen. Im Grundsatz steht der Mensch deshalb auch in den nächsten Jahren immer in der Verantwortung», stellt Thomas Rohrbach abschliessend fest.