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In Brugg wirft SVP-Ortsparteipräsident Stefan Baumann dem Stadtschreiber Verzögerungstaktik vor, weil er erst nach zwei eingeschriebenen Briefen einen Tonträger der Einwohnerratssitzung abhören konnte. Das wirft grundsätzliche Fragen auf.
Stefan Baumann, Einwohnerrat und Präsident der SVP-Ortspartei Brugg, hat sich an der Einwohnerratssitzung von vergangener Woche im Campussaal darüber geäussert, dass ihm der Zugang zu den Tonträgern von der Sitzung vom 23. Oktober vom Stadtschreiber verwehrt worden sei. In Anbetracht der Brisanz von Voten unter anderem hätten Mitglieder des Einwohnerrats der SVP-Fraktion «menschenverachtende» Praktiken vorgeworfen, verlangten Baumann und Fraktionspräsident Patrick von Niederhäusern mit einem eingeschriebenen Brief die Sicherung der Tonbandaufnahmen sowie eine Kopie der Sprachaufzeichnung.
«Am Freitag, 30. Oktober 2020, hat mir Matthias Guggisberg telefonisch mitgeteilt, dass er mir die Tonaufzeichnungen nicht übergeben kann und mir auch nicht mitteilen könnte, wie ich vorzugehen habe, um allenfalls die Tonbandaufzeichnungen anzuhören», schilderte Baumann. Der Stadtschreiber schrieb ihm per E-Mail, dass eine Herausgabe einer Kopie der Aufzeichnung der Einwohnerratssitzung gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip nicht zulässig sei. Das öffentliche Organ dürfe Personendaten nur zu dem Zweck bearbeiten, zu dem sie erhoben worden sind. Also, um eine sinngemäss gekürzte Protokollierung zu ermöglichen.
Mit Schützenhilfe der Gemeindeabteilung und nach dem verspäteten Versand des Protokolls im Januar habe er die Anhörung des Protokolls erneut gefordert, fuhr der SVP-Präsident fort. Derselbe Stadtschreiber habe geantwortet: «Das Recht, die Aufnahme anzuhören, ist für mich fraglos. Entsprechend bitte ich dich, im Stadthaus vorbeizukommen und reinzuhören.» Stefan Baumann sprach von einem Sinneswandel.
Somit stellen sich folgende Fragen: Hätte der Politiker schon vor dem Verfassen des Protokolls ein Recht gehabt, in den Tonträger reinzuhören? Und grundsätzlich: Wer darf Tonträger von Einwohnerratssitzungen und Gemeindeversammlungen anhören? Martin Süess, Leiter Rechtsdienst beim Departement Volkswirtschaft und Inneres, beruft sich auf einen Gerichtsentscheid aus dem Jahr 1959. Er sagt:
«Aus dem Entscheid folgt, dass Stimmberechtigte die Tonbandaufnahme auf der Gemeindekanzlei abhören dürfen.»
Zeitliche Einschränkungen, dass dies beispielsweise nur während der Auflagefrist möglich ist, gibt es nicht. Mit anderen Worten: Der SVP-Einwohnerrat hätte schon vor dem Verfassen des Protokolls ein Recht gehabt, in den Tonträger reinzuhören. Dabei spielt es laut Süess auch keine Rolle, ob die Stimmberechtigten oder Mitglieder des Einwohnerrats an der Gemeindeversammlung oder Einwohnerratssitzung anwesend waren oder nicht.
Stadtschreiber Matthias Guggisberg teilt auf Nachfrage der AZ mit, dass Baumann erst mit dem Einschreiben vom 5. Januar 2021 beantragte habe, die Tonbandaufnahme anhören zu dürfen, was ihm gewährt wurde. Dieses Begehren sei zuvor kein Thema gewesen. Guggisberg ergänzt: «Von der Möglichkeit der Anhörung der Tonbandaufnahmen wurde in den letzten Jahren insbesondere zur Prüfung einer Protokollberichtigung vereinzelt Gebrauch gemacht.»
Baumann sagt, solche Verzögerungstaktiken seien nicht förderlich für eine weitere angenehme Zusammenarbeit. Er dürfe aber noch anmerken, dass das Protokoll fast wortwörtlich verfasst wurde und die restliche Stadtkanzlei hervorragende Arbeit mache.