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Vier Hausärzte legen Praxen in Auenstein und Wildegg zusammen und wollen attraktive Arbeitsbedingungen für nächste Generation schaffen.
Sie sind in einem Alter, in dem andere den Ruhestand geniessen. Aber die langjährigen Hausärzte Thomas Glarner (70), Urs Enggist (69), Maurizio Provenzano (erst 54) und Mark Morach (70) fangen mit viel Energie nochmals ein neues Projekt an: Sie legen ihre beiden Arztpraxen – heute an der Hauptstrasse in Wildegg sowie in Auenstein – zusammen. So entsteht eine Praxisgemeinschaft – «eine Symbiose», beschreibt es Mark Morach. Die neue Praxis wird in der Wildegger Lauématt angesiedelt und eröffnet am Dienstag nach Ostern.
Es ist nicht nur eine Zweckgemeinschaft. Die vier Ärzte mögen sich, das wird beim Gespräch mit der AZ sofort deutlich. Dennoch: Allzu lange möchten zumindest die drei Älteren nicht mehr arbeiten. Zwei bis fünf Jahre vielleicht.
Doch die Nachfolgersuche gestaltete sich mit den Einzelpraxen schwierig bis unmöglich. «Die fehlende Selbstdispensation von Medikamenten im Aargau ist ein Problem», so Urs Enggist. «Einige potenzielle Interessenten haben mir deshalb abgesagt.» Und einfach aufhören, die Praxis auflösen? «Als Landarzt will man das möglichst verhindern», sagt Enggist, und Thomas Glarner schiebt nach: «Die Patienten liegen einem am Herzen.»
Die Praxisgemeinschaft soll den Generationenwechsel vereinfachen. Arbeit und finanzielle Belastung werden auf mehrere Schultern verteilt; und in einer so grossen Praxis kann man gut auch Teilzeit arbeiten. Enggist: «Wir hoffen sehr, dass wir bald ein bis zwei Hausärztinnen oder Hausärzte finden – gerne auch mit einer Spezialisierung – die bei uns langfristig in die Praxis einsteigen möchten. Interessierte dürfen sich gerne melden.»
Der jüngste der vier Ärzte bringt eine solche Spezialisierung mit: Maurizio Provenzano – gebürtiger Römer und seit Mitte 2020 mit Enggist und Morach in der Auensteiner Praxis tätig – ist nicht nur Hausarzt, sondern auch Onkologe. Zuletzt war er zehn Jahre in der klinischen Forschung tätig. Provenzano will in der neuen Praxis Chemotherapien und weitere Betreuung von Krebspatienten anbieten. «Die Zusammenarbeit mit den Kantonsspitälern und der Klinik Hirslanden ist in Vorbereitung», sagt er. Der Italiener freut sich ausserdem besonders, Landsleute in ihrer Muttersprache behandeln zu können.
Die neue Praxis ist als Aktiengesellschaft organisiert. Die Ärzte halten Anteile. Gründerin und Minderheitsaktionärin ist die PraxaMed AG; eine Organisation, die «hinsichtlich Finanzierung und Organisation eine führende Position einnimmt und ihr Know-how zur Verfügung stellt», so Glarner. Alle Patienten aus den bisherigen Praxen in Auenstein und Wildegg dürfen an den neuen Standort wechseln, auch neue werden angenommen. Auch die Altersheime werden weiter betreut.
Heute hat Thomas Glarner seine eigene Praxis, nur wenige Schritte von der neuen entfernt, direkt an der Wildegger Hauptstrasse. Er ist, man glaubt es kaum, Hausarzt in siebter Generation. Fünf seiner familiären Vorgänger waren in Wildegg tätig. Und: Seine Vorfahren gründeten im 18. Jahrhundert eine Indienne-Färberei in der Lauématt, die ihren Namen von Fabrikant Christian Friedrich Laué hat (Laué & Cie).
Der Wildegger Schlossherr von Effinger verhalf dem Gewerbegebiet durch Landverkäufe zu einer gewissen Grösse und Wichtigkeit. Mitte des 19. Jahrhunderts siedelte hier eine mechanische Werkstätte an, zuletzt war die Kupferdraht-Isolierwerke AG in der Lauématt. Die Firma wurde nach Brugg verkauft.
Das Lauématt-Areal gehört heute der Baarer Alfred Müller AG. Einige Gebäude wurden abgerissen; sie werden in den nächsten Jahren durch Wohn- und Gewerbebauten ersetzt. Das denkmalgeschützte alte Gewerbehaus bleibt jedoch stehen. Derzeit wird es umfassend renoviert. Und hier zieht unter anderem die neue Gemeinschaftspraxis ein. Der Strom für das neue Gebäude kommt übrigens die meiste Zeit des Jahres aus dem Aabach: Das kleine Wasserkraftwerk der früheren Fabriken wurde auf den neusten technischen Stand gebracht.