Brugg/Windisch
Porzellan aus Brockenhäusern macht sie zu Kunst: Dafür musste die Analytikerin aber viele Jahre warten

Am 15. Mai findet in der Windischer Bossartschüür die Kunsthandwerk-Ausstellung «Klein aber Fein» statt. Mit dabei ist auch Bruggerin Christiane Simmen.

Maja Reznicek
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Bis zu sechs Stunden arbeitet Künstlerin Christiane Simmen an dem Dekor einer Espressotasse.

Bis zu sechs Stunden arbeitet Künstlerin Christiane Simmen an dem Dekor einer Espressotasse.

Maja Reznicek

Der kleine Esel sieht aus, als würde er tanzen. Die filigrane Zeichnung auf der Unterseite der Porzellantasse ist Christiane Simmens Markenzeichen. Die Künstlerin erklärt:

«Das Tier gefällt mir einfach. Ausserdem lässt sich das französische Wort für Esel ‹âne› in meinem Vornamen finden.»

Seit kurzem hat Simmen im ersten Stock des Brugger Wohnhauses, in dem sie seit 1996 mit ihrer Familie lebt, ein eigenes Malzimmer. Besonders aus ausrangierten Zuckerdosen, Krügen und Tellern entstehen hier kleine Kunstwerke.

Ein typisches Upcycling-Stück: Das Muster in der Mitte hat Simmen der Zuckerdose hinzugefügt.

Ein typisches Upcycling-Stück: Das Muster in der Mitte hat Simmen der Zuckerdose hinzugefügt.

Maja Reznicek

Denn Simmen verziert zwar auch neue Objekte mit Pinsel und Feder. Ihr besonderes Interesse liegt aber bei Stücken, die sie in Brockenhäusern und auf Flohmärkten findet. Mit diesem «Upcycling» konnte die Kunstschaffende vor vielen Jahren die Welt der Porzellanmalerei ein Stück weit revolutionieren. Sie sagt: «An meiner ersten Porzellanshow war das noch ganz neu.»

Simmen: «Das kleine ‹Gschmeus› liegt mir»

Die ersten Berührungspunkte mit dem Handwerk hatte Christiane Simmen früh. Schon als Kind zeichnete sie viel «Müsterli» und mochte geometrische Formen. Im Primarschulalter entdeckte Simmen dann bei der Mutter ihrer besten Freundin das Porzellanmalen. Zwar sagte ihr die Kunst von Anfang an zu, erzählt die Bruggerin, erlernen durfte sie diese damals aber noch nicht:

«Die Mutter meiner Freundin fand mich damals viel zu jung dafür.»

Erst als Simmen 30 Jahre alt war, gelang der Einstieg in das Handwerk.

Doris Vetsch lehrte sie das klassische Porzellanmalen, vor allem die Nyon- und Meissendekors. Diese Muster werden teilweise seit dem 18. Jahrhundert von den beiden gleichnamigen Porzellanmanufakturen verwendet. Über die Jahre hinweg bildete sich Simmen stetig weiter, erlernte weitere Techniken wie etwa das Auskratzen von Farbe.

Beim Besuch der AZ arbeitet Simmen an dem Service.

Beim Besuch der AZ arbeitet Simmen an dem Service.

Maja Reznicek

Heute arbeitet die ursprünglich ausgebildete Analytikerin und Programmiererin statt mit dem Pinsel auch viel mit der Feder. Dies ermögliche sehr feine und detaillierte Zeichnungen. Simmen sagt schmunzelnd: «Das kleine ‹Gschmeus› liegt mir.»

Dass die Mutter ihrer Freundin ihr den Einstieg ins Handwerk anfänglich verwehrte, trägt die Künstlerin ihr nicht nach. Noch heute lerne sie von der mittlerweile 88-Jährigen.

Bis zu sechs Stunden arbeitet sie an einer Espressotasse

Porzellanmalen ist gemäss Christiane Simmen sehr zeitintensiv. Beispielsweise sei der Nyondekor mit seinen traditionsreichen Blumenverzierungen äusserst aufwendig: Eine kleine Espressotasse könne bis zu sechs Stunden Arbeit bedeuten. Zudem kann ein Stück in den letzten Zügen noch zerstört werden: Etwa wenn die Farbe beim Brennen im Ofen abplatzt oder das Porzellan wegen zu grosser Spannung Risse bekommt.

Nichtsdestotrotz ist das Handwerk für Simmen auch eine Methode zur Entspannung. Gerade als ihre vier Kinder noch klein gewesen seien, habe sie am Abend jeweils gemalt. Sie sagt:

«Es hat etwas sehr Meditatives.»

Ihre Werke zu verkaufen, daran dachte sie lange nicht. Inzwischen nimmt Simmen Aufträge an und an Märkten teil. Auch an der Kunsthandwerk-Ausstellung «Klein aber Fein» am 15. Mai ist Simmen bereits zum zweiten Mal dabei.

Seit kurzem hat Simmen ein eigenes Malzimmer: Hier der Arbeitsplatz.

Seit kurzem hat Simmen ein eigenes Malzimmer: Hier der Arbeitsplatz.

Maja Reznicek

Ein Dutzend Kunstschaffende sowie lokale Labels – darunter Goldschmiedin Nina Kocher genauso wie Filzerin Regula Lindenmann – präsentieren dann Produkte und Werke. Nach zwei coronabedingten Ausnahmejahren findet der Anlass gemäss Organisatorin Sibylle Bernasconi wieder unter normalen Bedingungen in der Bossartschüür in Windisch statt.

So entspreche man dem Bedürfnis von Ausstellern und Besuchern und sei bei schlechtem Wetter im Trockenen. Ausserdem ergänzt Bernasconi: «Das Ambiente der Scheune ist unschlagbar.»

Ungefähr 500 Besuchende soll die Ausstellung anlocken

Neben den kreativen Attraktionen wird es am Sonntag in zwei Wochen ein gastronomisches Angebot geben. Dazu zählen laut der Organisatorin ein Café mit Törtchen von der Confiserie Papillon aus Lauffohr und ein Grillstand von der Lüthi Metzgerei aus Hausen.

2019 fand die Ausstellung in der Bossartschüür in Windisch noch unter dem Namen «Kunst & Handwerk» statt.

2019 fand die Ausstellung in der Bossartschüür in Windisch noch unter dem Namen «Kunst & Handwerk» statt.

Manuel Funk (29. April 2019)

Die Jungbrauerei Fäze Bräu stellt neben einem eigenen Stand bei schönem Wetter einen Biergarten. Aktuell rechnet Sibylle Bernasconi mit ungefähr 500 Besucherinnen und Besuchern.

Christiane Simmen schätzt an der Bossartschüür insbesondere den Austausch mit den anderen Teilnehmenden. Der Verkauf stehe nicht im Vordergrund, sie müsse glücklicherweise nicht von der Kunst leben:

«Ich könnte die Sachen nie zu dem Preis verkaufen, was sie vom Arbeitsaufwand her wert wären.»

Statt ganz auf den Vertrieb ihrer Werke zu setzen, könnte sich Simmen zukünftig vorstellen, Kurse im Handwerk zu geben. Malen dürften dann auch Kinder.

Kunsthandwerk-Ausstellung «Klein aber Fein». Sonntag, 15. Mai, 10 bis 17 Uhr. Bossartschüür, Dorfstrasse 25, Windisch.