Im 2000 hatte ein damals 22-jähriger Schweizer ein Mädchen entführt, sexuell missbraucht, stranguliert und in einem Wald bei Effingen liegen gelassen. Am Dienstag stand der Mann erneut vor dem Bezirksgericht in Brugg. Dieses verlängert die stationäre therapeutische Massnahme um 14 Monate.
Dass die stationäre therapeutische Massnahme verlängert werden soll, daran hat kein Zweifel bestanden vor dem Bezirksgericht in Brugg. Umstritten gewesen ist aber die Dauer.
Die Tat hatte sich im Februar 2000 ereignet – und landesweit für Aufsehen und Entsetzen gesorgt: Ein Schweizer entführte ein 9-jähriges Mädchen in Le Landeron NE am Bielersee. Er zerrte es nach der Schule in ein Auto, brachte es in den Aargau, missbrauchte es sexuell, strangulierte es und liess es anschliessend liegen in einem Wald bei Effingen. Das Kind überlebte mit viel Glück, konnte sich zu einem Bauernhaus schleppen, wo es Hilfe erhielt.
Dank einer aufmerksamen Frau, die sich die Autonummer eingeprägt hatte, konnte die Polizei den damals 22-jährigen Täter kurz darauf an seinem Wohnort verhaften.
Am Dienstag stand der Mann, der in der Region Aarau aufgewachsen ist, ein weiteres Mal vor dem Bezirksgericht in Brugg. Seit November des letzten Jahres befindet er sich im offenen Massnahmenvollzug bei einer Stiftung im Kanton Zürich, die sich für die Rehabilitation und Integration von Menschen einsetzt. Er trage mehr Verantwortung und erhalte die Chance, ein normales Leben führen zu können, sagte er in der Befragung durch Gerichtspräsident Sandro Rossi.
Er pflege, fuhr der Beschuldigte fort, den Kontakt zur Familie und gehe einer Arbeit nach. Tätig ist er im Bereich Logistik in einem Betrieb der Stiftung. Ab Sommer will er eine Ausbildung absolvieren. Der Start, so der Plan, erfolgt stiftungsintern, danach soll es zu einem Wechsel kommen in einen externen Betrieb und damit in den ersten Arbeitsmarkt. Er habe Respekt vor der Aussenwelt, den Anforderungen, hielt der Beschuldigte fest. «Es wartet niemand auf mich.»
Was er dem Opfer heute sagen würde, wenn es anwesend wäre im Gerichtssaal, wollte Gerichtspräsident Rossi wissen. Er würde ihr sagen, antwortete der Beschuldigte, dass es ihm leid tue, was er ihr angetan habe, dass er an sich gearbeitet habe. Die derzeitige Therapie wirke stützend. Schwierigkeiten könnten angesprochen, Defizite aufgearbeitet werden. Wie lange er eine solche Massnahme noch brauche, stellte er auf Nachfrage fest, wisse er nicht.
Eine Verlängerung der stationären therapeutischen Massnahme – in einer solchen befindet sich der Mann seit 2008 – um weitere drei Jahre, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, kam für den Verteidiger nicht in Frage. Sechs Monate erachtete er als angemessen. Der Beschuldigte habe sich bewährt, habe auch turbulente Zeiten und Rückschläge gemeistert. Die Rückmeldungen seien positiv, der Beschuldigte habe die Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern übertroffen. Es gelte der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, so der Verteidiger.
Dass sich der Beschuldigte adäquat verhalten, Fortschritte erzielt hat, stellte der Staatsanwalt nicht in Abrede. Sechs Monate aber seien illusorisch. Drei Jahre seien – auch im Interesse der öffentlichen Sicherheit – für den Beschuldigten angezeigt, um sich auf die bedingte Entlassung vorzubereiten.
Das Gesamtgericht kam nach einstündiger Beratung einstimmig zum Schluss, die stationäre therapeutische Massnahme um 14 Monate zu verlängern. Als relevanter Punkt erachtete der Gerichtspräsident in seiner Begründung die Ausbildung, die der Beschuldigte in Angriff nehmen will. Das erste Jahr bezeichnete Rossi als Weichenstellung. Am Anfang brauche es eine Begleitung für die neue, unbekannte Lebenssituation. Danach sei der Moment da, weitere Schritte in die Wege zu leiten.
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