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Brugg
Ein 53-jähriger Beschuldigter stand wegen Verletzung der Verkehrsregeln vor dem Bezirksgericht in Brugg – und kam mit einem blauen Auge davon.
Einen Warnschuss vor den Bug hat das Bezirksgericht in Brugg abgegeben respektive: vor das Autorad. Romario (Name geändert) wurde zwar verurteilt, die Strafe fiel aber milder aus als von der Staatsanwaltschaft beantragt.
Es sei keine Absicht gewesen, beteuerte der 53-jährige Beschuldigte. «Es war ein Fehler.» Vorgeworfen wurden ihm grobe Verletzung der Verkehrsregeln sowie mehrfache Verletzung der Verkehrsregeln.
An einem Mittwochnachmittag vor fast genau einem Jahr war Romario auf der Autobahn A3 unterwegs mit einem Geländewagen. Bei einem Tempo von 100 km/h hielt er auf Höhe Bözberg während rund 900 Metern einen – ungenügenden – Abstand von lediglich 5 bis maximal 10 Metern ein zum vorderen Fahrzeug, heisst es in der Anklageschrift.
Ebenfalls habe er während der Fahrt an seinem Smartphone manipuliert, den Blick nach unten gesenkt und sei – durch die fehlende Aufmerksamkeit – von der Ideallinie abgekommen. Schliesslich habe er acht Mal vom Überholstreifen auf den Normalstreifen und zurück gewechselt, ohne den Blinker zu betätigen.
Die Staatsanwaltschaft forderte eine unbedingte Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 370 Franken, also insgesamt 48'100 Franken. Dabei handelte es sich um eine Strafe, die zusammen mit einer widerrufenen früheren Strafe gebildet wurde. Im 2019 war Romario im Kanton Schwyz zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden wegen einfacher Körperverletzung unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren.
Romario wohnt in einem Nachbarkanton, ist dort Inhaber eines Unternehmens, verfügt über ein stattliches Einkommen. Der gebürtige Portugiese mit den grau melierten Haaren erschien in Jeans, T-Shirt und Turnschuhen vor Gericht, hängte die blaue Jacke über die Stuhllehne und legte die Brille vor sich auf den Tisch. Den Ausführungen von Gerichtspräsidentin Chantale Imobersteg folgte er aufmerksam.
Es gehe ihm, antwortete er auf die entsprechende Frage, ziemlich schlecht im Moment. Erstmals in seinem Leben habe er mit Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen. Er selber habe hohe Rechnungen beglichen, aber die Zahlungsmoral seiner Kunden sei schlecht. Zudem schlage er sich mit gesundheitlichen Problemen herum, müsse sich behandeln lassen.
Romario geriet schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt. Im Jahr 2019 sei es zum Strafverfahren gekommen wegen eines ehemaligen Mitarbeiters, der ihn betrogen habe. Er wäre unschuldig gewesen, redete sich Romario in Rage, aber der andere habe den besseren Anwalt gehabt.
Einmal war Romario mit einem Verkehrsteilnehmer aneinandergeraten, der ihn überholt und ausgebremst habe – «ich bin durchgedreht» –, ein andermal war er im Innerortsbereich massiv zu schnell unterwegs. Er habe an jenem Abend ein bekanntes Paar nach Hause gefahren. Es sei nicht sein Auto gewesen, er habe die massive Geschwindigkeitsübertretung erst selbst nicht glauben können, blickte er zurück. Seither fahre er eigentlich kontrolliert und aufmerksam.
Der Vorfall auf der Autobahn in Bözberg sei leider passiert, es sei wie verhext gewesen. Er sei erschrocken, als er die Videos der Polizei gesehen habe, führte Romario aus. Das sei nicht sein normaler Fahrstil. Dass er zu nahe auf das vordere Auto aufgefahren sei, bestritt er nicht. Am Smartphone habe er allerdings nicht manipuliert. Er verfüge über eine Freisprechanlage zum Telefonieren. Den Blinker habe er vielleicht zwei, drei Mal nicht betätigt beim geringen Verkehrsaufkommen.
Aktuell nimmt Romario an einem Lernprogramm teil für Personen, die aufgrund ihres risikobereiten oder aggressiven Fahrverhaltens aufgefallen sind. Er sei mittlerweile stets mit Tempomat und genügend Abstand unterwegs, hob er hervor. In seinem Heimatland Portugal absolvierte er zudem einige Fahrlektionen. «Das ist interessant, hat viel gebracht.»
Der Verteidiger stellte in seinem Plädoyer nicht den Schuldspruch in Frage. Die Strafzumessung aber erfordere eine eingehende Betrachtung. Er wies darauf hin, dass sich der Beschuldigte in einer schwierigen Zeit, in einer Ausnahmesituation mit grosser Arbeitslast und angeschlagener Gesundheit befunden habe, aber eine stationäre Therapie absolviere und sich in ärztliche Behandlung begeben habe. Der Zustand habe sich gebessert. Es könne keine schlechte Prognose gestellt werden.
Davon ging auch das Gericht aus, verurteilte den Beschuldigten zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 310 Franken – also 27'900 Franken – sowie einer Busse von 500 Franken. Die Probezeit wurde auf vier Jahre festgelegt. Auf einen Widerruf der bedingten Strafe von 2019 verzichtete das Gericht, sprach aber eine Verwarnung aus.
Der Beschuldigte habe dargelegt, dass er wirklich gewillt sei, etwas zu ändern, anerkannte das Gericht. Aber es sei Fünf vor Zwölf, gab ihm Gerichtspräsidentin Chantale Imobersteg mit auf den Weg. Sie riet ihm, sich künftig wohl zu verhalten. Gesetz sei Gesetz – und er habe sich daran zu halten.