Bezirksgericht Brugg
«Reto» muss Strafe absitzen: Die Suchtbehandlung brachte nicht den gewünschten Erfolg

Ein 44-jähriger Schweizer, der vom Bezirksgericht in Brugg wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden war, muss wieder ins Gefängnis.

Michael Hunziker
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In der damaligen Wohnung des Verurteilten waren Heroin- und Kokaingemische gelagert, konsumiert sowie portioniert und ausgeliefert worden (Symbolbild).

In der damaligen Wohnung des Verurteilten waren Heroin- und Kokaingemische gelagert, konsumiert sowie portioniert und ausgeliefert worden (Symbolbild).

Susann Basler

Er wisse, wo seine Baustellen seien, sagte Reto (Name geändert). Zum wiederholten Mal stand der mittlerweile 44-jährige, mehrfach vorbestrafte Schweizer vor dem Bezirksgericht in Brugg. Diesmal ging es um den Vollzug einer Reststrafe.

Im Mai 2020 war er verurteilt worden zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, die zu Gunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben wurde. Als strafbare Handlungen zur Last gelegt wurden ihm qualifizierte Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie mehrfache Vergehen gegen das Waffengesetz.

In seiner Wohnung im Raum Brugg waren im 2018 über einen Zeitraum von mehreren Monaten Heroin- und Kokaingemische gelagert, konsumiert sowie portioniert und ausgeliefert worden. Er habe die Dealer gewähren lassen, um so zu Stoff für den Eigenkonsum zu kommen, hielt Reto damals fest. Gefunden wurden in der Wohnung ebenfalls Pistolen, Munition, Dolche und Teleskopschlagstöcke.

Derzeit ist er erwerbslos und wohnt beim Vater

In der Zwischenzeit war der Verurteilte für die stationäre Massnahme in einer Einrichtung. Aber: «Das war nichts», stellte Reto – Brille, grau melierte Haare, schwarze Jacke mit Kapuze und blaue Jeans – in der Befragung durch Gerichtspräsident Sandro Rossi fest. Das Personal sei zwar nett gewesen und er habe arbeiten können. Sonst aber habe ein ruppiger Umgangston geherrscht, einige Zeitgenossen seien nicht angenehm gewesen. Kurz: Es sei mühsam gewesen. «Ich habe mich nicht wohlgefühlt.»

Man habe ihm nicht weiterhelfen können, er sei nicht weitergekommen, führte Reto aus. Schliesslich sei er wieder zurück ins Gefängnis gebracht worden. Gesundheitlich sei es ihm plötzlich schlecht gegangen. Er habe, nannte er als einen Grund für den Abbruch der stationären Massnahme, den Ausstieg nicht finden können, es sei ein Abhocken gewesen. Er müsse, antwortete er auf die Frage zu seiner Perspektive, «zuerst das alles hinter mich bringen und dann weiterschauen».

Das Gesamtgericht kam mehrheitlich zum Schluss, dass die Reststrafe zu vollziehen ist.

Das Gesamtgericht kam mehrheitlich zum Schluss, dass die Reststrafe zu vollziehen ist.

Sandra Ardizzone

Mittlerweile habe er seine Sucht im Griff, konsumiere nicht mehr. Ein erfülltes Leben habe er aber keines, stellte Reto fest. Momentan wohnt er in einem Nachbarkanton. Er sei nicht erwerbstätig, beziehe IV, lebe bei seinem Vater, um den er sich kümmere, sagte er – eher knapp, aber freundlich und klar – gegenüber Gerichtspräsident Rossi.

Für bedingte Strafe liegen Voraussetzungen nicht vor

Der Staatsanwalt beantragte den Vollzug der Reststrafe. Für ihn war klar, dass mit einer stationären Massnahme und einer Weiterführung der Suchtbehandlung keine Aussicht auf Erfolg besteht. Ein solcher sei abhängig vom Willen des Verurteilten. Bisher seien kaum Fortschritte erzielt worden, so der Staatsanwalt. Eine günstige Prognose lasse sich nicht stellen.

Der Verteidiger indes wies darauf hin, dass der Verurteilte in der falschen Einrichtung untergebracht worden war. Das Unwohlsein seines Mandanten sei als Therapieverweigerung ausgelegt worden. Zum Abbruch geführt habe nicht der fehlende Wille. Der Verteidiger forderte, die Strafe sei bedingt auszusprechen.

Das Gesamtgericht kam allerdings zum Schluss, dass die Reststrafe von 533 Tagen – abzüglich 52 Tage Untersuchungshaft – zu vollziehen ist. Die Voraussetzungen für eine bedingte Freiheitsstrafe lägen aktuell nicht vor. Mit Blick auf die lange Suchterkrankung ging die Mehrheit des Gerichts davon aus, dass die Gefahr eines Rückfalls besteht. Gerichtspräsident Rossi wünschte dem Verurteilten zum Schluss, dass er den Rank doch noch finden wird.