Beim Tiefenlager-Podium in der Turnhalle Chapf kommen erstmals auch kritische Referenten zu Wort.
Die knallgelben Blachen der Bürgerorganisation mit der fetten schwarzen Aufschrift «Kein Atommüll im Bözberg» (Kaib) sind mittlerweile fester Bestandteil vor jeder Infoveranstaltung im Zusammenhang mit der Endlagerung von Atommüll in der 1500-Seelen-Gemeinde. So auch an diesem Donnerstagabend vor der Turnhalle Chapf: In der Dämmerung verteilen einige Kaib-Mitglieder dieses Mal zusätzlich gelbe Blumenblüten. Wer dem Bau eines geologischen Tiefenlagers für Atommüll im Bözberg gegenüber kritisch eingestellt sei, könne dies mit dem Anstecken dieser Blume bekunden, erklärt Kaib-Präsident und SP-Nationalrat Max Chopard den eintreffenden Gästen. Rund 60 greifen zu, andere winken ab. In der Turnhalle hängt die Bözberg-Fahne – wie an einer Gemeindeversammlung. Die rund 130 Gäste – zum Teil aus den benachbarten Gemeinden – vermögen aber nicht alle Sitzreihen zu füllen.
Etwas verspätet trifft Geologe Marcus Buser mit dicken Aktenbündeln unter dem Arm ein. Als kritischer Referent durfte er Moderator Urs Bachmann im Vorfeld drei Thesen vorlegen, mit denen die breit angelegte Podiumsdiskussion «Geologisches Tiefenlager Jura Ost» lanciert wurde. Buser sagt, dass das Sachplanverfahren nicht ergebnisoffen und die Geologie in der Schweiz für ein Tiefenlager nicht geeignet sei. Zudem behauptet er, dass nicht der Staat, sondern die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) den Lead in diesem Prozess habe. Dem halten sowohl Annatina Foppa vom Bundesamt für Energie wie auch Philipp Senn von der Nagra entgegen.
Bei der Diskussion um den Nagra-Vorschlag vom Januar kommt der Bözberger Gemeindeammann Peter Plüss, der den Hut als Co-Präsident der Regionalkonferenz Jura Ost an diesem Abend bewusst abgelegt hat, zu Wort: «Der Gemeinderat ist einstimmig gegen ein geologisches Tiefenlager.» Für diesen Satz erntet Plüss kräftigen Applaus. «Wir haben jetzt schon einen Imageschaden. Zwar versuchen wir uns in dieser Frage Jura Ost zu nennen. Trotzdem sprechen immer alle vom Bözberg.» Plüss macht den früheren Energieminister Moritz Leuenberger mitverantwortlich für die aktuelle Situation. «Jetzt versucht man das Lager den braven Aargauern aufzudrücken.» Kantonsvertreter Thomas Frei schliesst sich diesen Voten mehrheitlich an und bemängelt, dass die Nagra die Kantone nicht rechtzeitig miteinbezogen hat.
Nagra-Vertreter Senn kann sich später einen Seitenhieb nicht verkneifen: «Bei der Oberflächenanlage nahm der Kanton die Chance nicht wahr, sich entscheidend einzubringen.» Applaudiert wird an diesem Abend auch jedes Mal, wenn Geologe Buser den Ausstieg aus der Atomenergie fordert.
Während der offenen Fragerunde lässt Kaib-Präsident Max Chopard ein Feuerwerk ab, um sich ebenfalls einen Applaus zu holen, und spricht von Sicherheit für die Region und das Wasserschloss. Kurt Wyss vom Forum «Verantwortung für die Entsorgung radioaktiver Abfälle» (Vera) fühlt sich nicht wie in einem Hochrisikogebiet, obwohl er in Gippingen zwischen drei Atomkraftwerken und unweit vom Zwischenlager lebe. «Ich will, dass am Schluss die Sicherheit den Ausschlag gibt.» Geologe Simon Löw, Präsident der Expertengruppe Geologisches Tiefenlager, findet es deshalb korrekt, dass nicht zuletzt seine Berichte zu Nachforderungen bei der Nagra geführt haben und neben den Standorten Jura Ost sowie Zürich Nordost auch Nördlich Lägern wieder im Rennen ist.
Ein Mann um die 40, der sich eine gelbe Blume angesteckt hat, zeigt sich am Schluss zufrieden mit der Veranstaltung: «Zum ersten Mal sind hier in Bözberg beide Seiten an der gleichen Veranstaltung zu Wort gekommen und noch nie hat der Gemeinderat so deutlich – mindestens nach aussen – kommuniziert, dass er dieses Tiefenlager nicht will.»