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Der scheidende Gemeindeammann Peter Plüss sagt im grossen Interview, welche Auswirkungen der Adressen-Knatsch in Bözberg hatte, wo die Gemeinde neu Mitglied werden will und warum er sich eine neue Trompete gekauft hat.
So kurz vor Weihnachten hat Gemeindeammann Peter Plüss auf dem Bözberg und in der Region noch einen Termin nach dem anderen wahrzunehmen. Nach dem Fotoshooting vor dem Gemeindehaus im Ortsteil Oberbözberg bittet der bald 56-Jährige ins Sitzungszimmer und steht der Aargauer Zeitung ruhig und reflektiert Red und Antwort. Während seiner Amtszeit war Plüss in zwei Kommunen Ammann – in Unterbözberg und ab 2013 in der Fusionsgemeinde Bözberg vor.
Peter Plüss: Ich lebte damals mit meiner Familie in Riniken und wurde dort ein erstes Mal angefragt, ob ich Gemeinderat werden möchte. Da der Umzug nach Unterbözberg anstand, musste ich absagen. In der neuen Gemeinde kam ich nach wenigen Jahren als Direkteinsteiger in die Exekutive.
Ja. Da ich jedoch im Tiefbau arbeite, brachte ich viele Vorkenntnisse mit, die für mein Ressort nützlich waren.
Peter Plüss (56) ist in Brugg aufgewachsen und lebt heute im Bözberger Hafen-Quartier nicht weit von der Stadtgrenze entfernt. Als Parteiloser engagierte er sich während 20 Jahren im Gemeinderat. Die ersten vier Jahre als Gemeinderat von Unterbözberg, dann während sechs Jahren als Vizeammann und fünf Jahre als Gemeindeammann.
Seit der Fusion von Gallenkirch, Linn, Oberbözberg und Unterbözberg am 1. Januar 2013 steht er der 1550 Hektaren grosse Gemeinde Bözberg mit 1600 Einwohnern als Ammann vor. Plüss ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Söhnen. Während seiner Amtszeit hat er immer 100 Prozent als Bauführer gearbeitet. Neue Frau Gemeindeammann von Bözberg ist ab 2018 Staatsanwältin Therese Brändli aus dem Ortsteil Linn. (cm)
Ich finde, nach 20 Jahren ist es Zeit, das Amt weiterzugeben.
Ich hatte Glück und habe mich entsprechend organisiert. Die Arbeit wurde mir ja nicht abgenommen. Das heisst, ich war immer morgens um 6 Uhr im Büro, egal ob ich am Vorabend eine lange Sitzung hatte. Ab 16 Uhr konnte ich mich der Politik widmen.
(Lacht) Ich legte stets grossen Wert darauf, die Gemeinde zusammen mit dem Gremium weiterzubringen. Wir waren immer ein gutes Team. Sicher gehörte die Fusion zu den Höhepunkten, aber auch an der gelungenen Bachöffnung im Ursprung hatte ich viel Freude.
Bei der Zusammenführung der vier Bau- und Nutzungsordnungen (BNO) zu einer neuen wäre ich gerne noch dabei. Bis zum Abschluss dauert es aber sicher fünf bis sechs Jahre, das ist zu lange für mich.
Zum Zeitpunkt, als die Adressen-Problematik aufflammte, war der Fusionsprozess bereits so weit fortgeschritten, dass man nicht mehr umkehren konnte. Das wollten die Gegner nicht wahrhaben.
Es gab Gruppierungen, die mit ihren Argumenten Leute hinter sich scharen konnten, und so alles ins Rollen brachten.
Ja, es war richtig, auch aus rein administrativen Gründen. Zudem war für viele Einwohner klar, dass wir doch schon längstens Bözberger sind. Der Berg, die Tunnels, der Pass und der Turnverein heissen Bözberg. Die Grundidee war deshalb, dass auch die neue Gemeinde so heisst.
Die Hauptschwierigkeit war das Tempo bei der Umsetzung. Das würde ich heute anders machen. Wir hätten die vier Gemeinden ein Jahr später zusammenlegen sollen. Denn wir hatten wenig Zeit, die Einsprecher richtig anzuhören und angemessen zu reagieren. Es ging nicht nur um die Adressen, sondern auch um die Gebäudeversicherung, die Einträge im Grundbuchamt und die Parzellierungen. Überall mussten die Fristen eingehalten werden.
Wer sich integrieren wollte, dem ist das gelungen. Wir sehen das jeweils an der 1.-August-Feier, an welcher die Bewohner aus allen vier Dorfteilen rege teilnehmen. Es ist zu hoffen, dass in naher Zukunft auch die Adressgegner an solchen Anlässen teilnehmen.
Wir haben es auf jeden Fall versucht. Der Neujahrsapéro und die 1.-August-Feier finden bewusst jedes Jahr in einem anderen Ortsteil statt, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu fördern.
Es gibt Leute die, sobald etwas passiert, versuchen, eine grosse Geschichte daraus zu machen. Das gehört leider zum heutigen Zeitgeist.
Ja, das war so.
Mühe hatte ich mit Flugblättern, die in die Haushaltungen verteilt wurden und gegen mich als Person gerichtet waren, sowie mit anonymen Kommentaren auf der Medienplattform der AZ. Im Gemeinderatskollegium konnten wir uns gegenseitig immer wieder aufmuntern. Anschuldigungen von aussen haben uns als Gremium stärker zusammengekittet.
Die ist sehr gut. Vor allem die Vertreter der sechs Geissberg-Bözberg-Gemeinden haben sich regelmässig ausgetauscht und versucht, Projekte aufzugleisen. Beispielsweise die Integration der Spitex in die regionale Spitex AG oder die Überarbeitung der Tagesstruktur-Reglemente. Eine gute Zusammenarbeit ist personenabhängig. Wir sechs Gemeindeammänner verstehen uns gut. Dank regelmässigen Sitzungen gelang auch die Vernetzung über den Planungsverband Brugg Regio.
Wir haben mit 1600 Einwohnern eine akzeptable Grösse, eine weitere Fusion macht für uns in nächster Zukunft keinen Sinn.
Die Schulpflege könnte ein überflüssiges Gremium werden, da der Schulleiter und der Ressortvorsteher über die nötigen Kompetenzen verfügen.
Von zirka 12'000 auf 26'000 Franken pro Jahr. Die Arbeit ist allerdings auch intensiver geworden, da sich die Gemeinde Bözberg nach dem Geschäftsleitungsmodell orientiert. Ich hatte dieses Jahr neben den Gemeinderatsitzungen zusätzlich über 40 Geschäftsleitungssitzungen. Die höhere Entschädigung finde ich gerechtfertigt.
Ja, das ist so. Wir haben alle Reglemente neu geschrieben, ein neues Wappen, neue Fahnen, ein neues Logo, eine neue Website und eine App erhalten sowie die Räumlichkeiten der Gemeindeverwaltung und des Schulhauses umgebaut.
Mit dem Bau von neuen Mehrfamilienhäusern wird sie moderat weiterwachsen und zirka 100 Einwohner mehr haben als heute. Finanziell stehen wir gut da. Wir haben nächstes Jahr einen Steuerfuss von 96% und profitieren dank der grossen Gemeindefläche vom neuen Finanzausgleich, indem wir zirka 550 000 Franken aus dem Topf bekommen.
Das ist noch völlig offen. Das Sachplanverfahren dauert noch einige Jahre. Wir stehen vor dem Abschluss der Etappe 2.
Ich wollte nicht, dass unser neuer Gemeindename mit einem Tiefenlager in Verbindung gebracht und bei Demonstrationen in die ganze Welt hinausgetragen wird. Dass dies möglich ist, zeigt der Fall Gorleben in Deutschland.
Die Zusammenarbeit im Co-Präsidium mit Ueli Müller war bereichernd. Wir haben uns während sechseinhalb Jahren gut ergänzt und die Arbeit optimal aufgeteilt. Dass jetzt viele Behördenmitglieder wechseln, lässt sich nicht vermeiden. Es ist Aufgabe des Bundesamts für Energie (BFE) dafür zu sorgen, dass der Wissenstransfer stattfindet. Ich glaube nicht, dass die Partizipationsplattform eine Alibi-Übung ist. Die Herausforderung wird aber bis zum Schluss sein, allen glaubwürdig zu vermitteln, dass die Sicherheit bei der Standortsuche wirklich erste Priorität hat.
Das ist ein Thema, das fast an jeder Gemeindeversammlung zur Sprache kam. Wir werden nun beantragen, mit den restlichen Ortsteilen ebenfalls dem Jurapark Aargau beizutreten. Da man den Park-Perimeter nicht einfach verändern kann, ist der Zeitpunkt für den Antrag jetzt ideal. Denn der Vertrag mit dem Bund läuft in wenigen Jahren aus und es geht darum, dass alle Parkgemeinden über die Weiterführung zu entscheiden haben. Wir pflegen eine gute Zusammenarbeit mit dem Jurapark Aargau, dessen Geschäftsstelle bei uns im ehemaligen Schulhaus in Linn eingemietet ist.
Ja, es ist Zeit für neue Kräfte und neue Ideen. Und schliesslich habe ich noch meinen Beruf als Bauführer, für den ich mich in den nächsten Jahren voll und ganz einsetzen muss.
Ich habe mir eine neue Trompete gekauft, auf der ich wieder öfters üben möchte. Auch habe ich vor, in der Stadtmusik Brugg regelmässiger die Proben zu besuchen. An freien Wochenenden habe ich vermehrt Zeit, mit meiner Frau ausgedehnte Wanderungen zu unternehmen.