Heute ist Welttoilettentag – Grund genug, um auf eine WC-Geschichte zurückzublicken: In Brugg sorgte die geplante Erstellung eines WC-Häuschen bei der alten Aarebrücke vor über 100 Jahren für einigen Gesprächsstoff.
Die meisten kennen es, einige benützen es, doch nur wenige erahnen seinen bekannten Erbauer – die Rede ist vom kleinen WC-Häuschen in der Vorstadt, das unscheinbar über der Aare thront, vis-à-vis dem Schwarzen Turm.
Der heutige Welttoilettentag lädt dazu ein, sich mit der Geschichte der öffentlichen Toilette auf dem Zollplätzli zu befassen. Erstmals mit diesem Thema beschäftigte sich die Brugger Gemeindeversammlung 1880, als der Stadtrat im Zusammenhang mit weiteren Bauarbeiten beim Schwarzen Turm die Erstellung eines Pissoirs beantragte, womit einem vielfach geäusserten Wunsch nachgekommen werden könne. Der Stadtrat unterliess es jedoch nicht, darauf hinzuweisen, dass er selbst keinen grossen Wert auf die Erstellung lege, worauf das Projekt auch prompt von den Stimmbürgern abgelehnt wurde. Vier Jahre später lag ein neuer Antrag vor und die Gemeindeversammlung beschloss, wenn auch wenig enthusiastisch, sowohl beim Waagehäuschen auf dem Eisi als auch an der Nordfassade des Schwarzen Turmes je ein Pissoir zu errichten.
Rund ein Vierteljahrhundert später, im Frühling 1902, beabsichtigte der Stadtrat, die bestehenden Pissoirs durch zwei neuartige «Ölpissoirs» zu ersetzen, wodurch die üblen Gerüche zum Verschwinden gebracht werden sollten. Da das Pissoir am Schwarzen Turm seit Anfang, namentlich aus ästhetischen Gründen, umstritten war, sah der gemeinderätliche Antrag vor, den Anbau am Schwarzen Turm zu entfernen und ein neues Pissoir auf dem Zollplätzli zu errichten.
Der Antrag wurde gegen den Willen der Vorstadtbewohner angenommen. Diese zögerten nicht lange und sammelten Unterschriften, um in einer erneuten Gemeindeversammlung den Entscheid umzustossen. Die Versammlung vom 2. Mai 1902 kannte nur ein Traktandum: Pissoir in der Vorstadt. Während einige auf die Notwendigkeit eines Pissoirs hinwiesen, kritisierten andere, dass dadurch nicht nur das Zollplätzli verschandelt, sondern auch den Kindern ein Spielplatz weggenommen würde. Die Lage schien verfahren, bis Fürsprech Schulthess, der nachmalige Bundesrat, einen Kompromissvorschlag einbrachte: Statt auf dem Zollplätzli sei das bestellte «Ölpissoir» beim Schützenhaus aufzustellen.
Dadurch konnten die Wogen geglättet werden und der Stadtrat erhielt die Gelegenheit, eine bessere Variante auszuarbeiten. Bereits ein Jahr später lag sie vor: Anstelle eines Neubaus auf dem Zollplätzli sollte in das Vorstadtwaschhaus ein Pissoir samt Klosett eingebaut werden – ein Vorschlag, der von der Gemeindeversammlung mit grossem Mehr angenommen wurde.
Die Geburtsstunde des heutigen WC-Häuschens geht auf die Erweiterung und Erneuerung der alten Aarebrücke in den Jahren 1924/25 zurück. Durch die Verbreiterung der Baslerstrasse musste das alte Vorstadtwaschhaus weichen, worauf ein neuer Standort für die öffentliche Toilette zu suchen war. Stadtrat und Architekt Carl Froelich sowie Architekt Albert Froelich, unter anderem Erbauer des Stapferschulhauses, legten dazu verschiedene Projektskizzen vor. Neben ästhetischen Gesichtspunkten waren auch Zugänglichkeit und Reinlichkeit wichtige Kriterien.
Aus allen Varianten entschied sich die Baukommission schliesslich für die originelle turmähnliche Variante von Albert Froelich, da «man damit etwas rechtes und schönes erhält». Die Baukosten wurden auf 8000 Franken veranschlagt. Für die Benützung der Aborte war eine Gebühr von 10 Rappen zu entrichten. Heute ist sie kostenlos.
War die Anlage früher bei Durchreisenden willkommen, so wird sie heute häufig von Bauarbeitern aufgesucht, die in der Nähe tätig sind. Wenngleich die Verschmutzung nicht so stark ist wie bei anderen öffentlichen Toiletten, so ist der heutige Tag doch auch eine Gelegenheit, den Werkhofmitarbeitern für ihre tägliche Arbeit zu danken.
*Titus J. Meier ist Historiker und lebt in Brugg.