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Aargau
Der Bremgarter Badmeister konnte das Spital 24 Stunden nach dem Chlorgasunfall wieder verlassen. Der AZ hat er erklärt, was genau am Dienstag in der Badi vorgefallen ist.
«Wir mussten gestern nach 20 Minuten wieder gehen, wegen der Evakuierung. Dürfen wir heute gratis hinein?» Selbstverständlich, wer am Dienstagnachmittag die Badi Bremgarten vorzeitig verlassen musste, wurde am Mittwoch grosszügig behandelt und musste keinen Eintritt bezahlen.
Lärmende Kinder, ballspielende Jugendliche, Erwachsene am Sonnenbaden, alle Pools mit Menschen gefüllt und das Badi-Restaurant ebenfalls gut besetzt – in der Badi Bremgarten schien 24 Stunden nach der Evakuation, um 16 Uhr am Mittwochnachmittag, der Normalzustand zurückgekehrt.
Etwas Vorsicht liessen die einen oder anderen Gäste zwar noch walten: «Isch alles guet wieder, muess mer kei Angscht hat?», fragt eine ältere Frau an der Kasse vorsichtig. Ganz anders der Scherzkeks, der unmittelbar nach ihr die Badi betritt: «Hüt chani hoffentli e chli länger bliibe als geschter», sagt er lachend.
Roger Marti, Leiter Bad in Bremgarten und Badmeister I in Hallen- und Freibad, ist nicht gerade zu Scherzen aufgelegt, aber auf dem Weg zur Besserung: «I ha no chlei e schturme Gring», sagt er in seinem breiten Berner Dialekt. 24 Stunden sei er im Kantonsspital Baden gewesen und umfassend untersucht worden. «Nach dem Röntgenbild zu urteilen, würden keine bleibenden Schäden zurückbleiben, haben mir die Ärzte gesagt. Es wird schon wieder werden.»
Eigentlich gibt es seit 2001 im Bremgarter Freibad kein flüssiges Chlorgas mehr. Damals hat man die Anlage entsprechend umgestellt und gehörte damit schweizweit zu den Pionieren. Warum hat der Badmeister dennoch eine Prise Chlorgas erwischt?
Roger Marti erklärt: «In einem grossen Behälter im Technikraum mischen wir Schwefelsäure (50%) und Javel (13 bis 14%) mit Wasser. Das gibt eine hoch chlorierte Lösung, die wir dann dem Vorlauf für die Badewasserzirkulation beimischen. Flüssiges Chlorgas, wie man das früher verwendet hat, gibt es bei uns nicht.»
Diesen Technikraum betreten Marti oder seine Stellvertreter mehrmals am Tag: «Wir kontrollieren, ob alles richtig läuft, messen die Konzentration und den pH-Wert und wechseln wenn nötig die Behälter mit den Substanzen.» Eine Fehlmanipulation sei ausgeschlossen: «Da ist alles doppelt und dreifach abgesichert», sagt der Badmeister.
In Bremgarten gibt es nicht nur ein Freibad, es gibt auch ein Hallenbad. Beide sind in den Jahren 2016/17 umfassend saniert worden. Die Gemeindeversammlung hat dafür im Dezember 2014 im zweiten Anlauf knapp 6 Mio. Franken bewilligt. Zuvor war ein Sanierungskredit über 9,1 Mio. Franken vom Stimmvolk zurückgewiesen und der Stadtrat beauftragt worden, eine kostengünstigere Variante auszuarbeiten.
Bei der im Februar 2017 abgeschlossenen Sanierung wurden die Wasseraufbereitung und die Energiegewinnung modernisiert. Das Wasser im Hallen- und Freibad kann seither mit einer Wärmepumpe beheizt werden, welche die nötige Energie aus dem Grundwasser bezieht. Im Freibad steht eine weitere Sanierung der Technik noch bevor. Das steht mit dem Vorfall vom Dienstagabend in keinem Zusammenhang.
Die laufende Badisaison in Bremgarten könnte zu einer Rekordsaison werden: «Bei der letzten Zählung am 15. Juli konn-
ten wir bereits 47 000 Eintritte verzeichnen.» Bis heute sind es wohl bereits über 50 000. Die letzte Rekordsaison gab es 2009 mit knapp 70 000 Besuchern. (to)
Dennoch ist am Dienstag eine technische Panne passiert. Was für eine genau, weiss Roger Marti noch nicht: «Ich habe den Raum betreten, etwas gerochen, bin noch einen Schritt vorgegangen und schon habe ich offenbar ‹einen Schluck› der toxischen Substanz erwischt.» Er habe dann sofort die Gasmaske übergezogen, die Anlage abgestellt und den Raum dichtgemacht. «Für die Badigäste», betont Marti, «hat nie eine Gefahr bestanden. Aus dem Technikraum konnte nichts entweichen. Eine Chlorgaswolke, so wie man sich das gemeinhin vorstellt und wie ich das in meiner Zeit als Feuerwehrmann in einer Chemiewehr auch schon erlebt habe, kann es bei unserem System gar nicht geben.»
Roger Marti liess sich von seiner Partnerin umgehend ins Spital Baden zur Kontrolle bringen und musste dort bis zum Mittwochnachmittag bleiben. Sein Stellvertreter, Renato Lorenzi, habe dann Polizei, Feuerwehr sowie die Bremgarter Stadtbehörde aufgeboten. Die Feuerwehr habe dann entschieden, für das sogenannte Löschen im Technikraum – das Absaugen der in den Raum ausgetretenen toxischen Substanz durch Spezialisten der Chemiewehr – die Badi evakuieren zu lassen. «Das war sicher ein richtiger Entscheid, in einem solchen Fall geht die Sicherheit allem anderen vor», sagt Roger Marti.
Dennoch ist er überzeugt: «Die Badigäste waren nicht in ihrer Gesundheit bedroht. Zumindest habe ich ausserhalb des Technikraums nichts gerochen. Nur drin war etwas, nicht viel glaube ich, aber irgendetwas war da. Ich werde es erfahren, wenn die Abklärungen abgeschlossen sind.» Eine richtige Chlorgaswolke, erklärt der Badmeister weiter, würde man nicht nur riechen, sondern auch sehen: «Sie hat eine grünliche Farbe.»
Dennoch begaben sich nach dem Vorfall mehrere Leute zur Kontrolle ins Spital. So viel Roger Marti bekannt ist, konnten aber alle nach einem ambulanten Untersuch umgehend wieder nach Hause. Sein Stellvertreter Renato Lorenzi sei im Spital Muri untersucht worden. Er habe dieses um 19 Uhr am Dienstagabend bereits wieder verlassen können und sei bereits auf dem Weg in seine verdienten Ferien, erklärt der Badmeister weiter.
Roger Marti ist froh, dass der Vorfall so glimpflich abgelaufen ist und alle Beteiligten rasch und richtig reagiert haben: «Das zeigt, dass unsere Badi sicher ist. So sicher, wie eine gut gewartete Anlage eben sein kann. Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es leider nie.»