Das kantonale Baudepartement und der Verband der Kiesgrubenbetreiber unterzeichnen eine neue Vereinbarung. Pro Natura übt Kritik daran.
In einer Kiesgrube können beim Abbau unterschiedliche Lebensräume gestaltet werden, die zur Erhöhung der Biodiversität beitragen. Dieser ökologische Ausgleich während des Kiesabbaus ist in einer Branchenvereinbarung zwischen dem Departement Bau, Verkehr und Umwelt und dem Verband der Kies- und Betonproduzenten Aargau geregelt. Weil die bisherige Vereinbarung teilweise schwierig umzusetzen gewesen sei, habe man sie überarbeitet und optimiert, teilt der Kanton mit.
Der Materialabbau und die anschliessende Auffüllung der Kiesgruben erfordern gemäss Baugesetz einen ökologischen Ausgleich. In der Regel entstehen Dauerbiotope im Anschluss an den Kiesabbau. Ihre Fläche beträgt 15 Prozent des Eingriffsperimeters. Es könne aber auch sinnvoll sein, diesen Ausgleich bereits während des Abbaus zu leisten, heisst es in einer Mitteilung des Kantons. Mitglieder des Verband der Kies- und Betonproduzenten können den gesetzlichen Forderungen deshalb während des Abbaus mit sogenannten Wanderbiotopen nachkommen.
Dabei sind laut Departement Bau, Verkehr und Umwelt 20 Prozent des Eingriffsperimeters für die Natur zu reservieren, im Gegenzug müssen nach der Rekultivierung keine Dauerbiotope angelegt werden. Unter gewissen Bedingungen kann auch eine Hybrid-Variante gewählt werden, eine Mischform mit Wander- und Dauerbiotopen.
Für Matthias Betsche, den Geschäftsführer von Pro Natura Aargau, ist klar: «Am Ende solcher Ausgleichsmassnahmen muss es der Natur besser gehen als vorher». Dass Wanderbiotope am Schluss einer Renaturierung gemäss der neuen Vereinbarung wieder verschwinden, «wäre überhaupt nicht nachhaltig, davon hätten die seltenen, gefährdeten Tierarten letztlich nichts. Wenn deren Lebensraum mit der Rekultivierung des Gebiets wieder gefährdet wird, dann ist das keine Verbesserung der Biodiversität».
Laut neuer Branchenvereinbarung dürften dauerhafte Biotope nur angelegt werden, wenn eine Population von Kreuzkröte oder Geburtshelferkröte in unmittelbarer Distanz zum Abbaugebiet vorhanden ist, so Betsche:
«Das schliesst den dauerhaften Schutz von sehr vielen anderen Tierarten aus, die gefährdet sind.»
Dies hiesse letztlich, so der Pro Natura-Geschäftsführer weiter, dass bei vielen vom Abbau betroffenen Tierarten gemäss der neuen Branchenvereinbarung als ökologischer Ausgleich nur die sogenannten Wanderbiotope möglich wären. Aber genau diese Wanderbiotope sollen ja gemäss der neuen Branchenlösung nach dem Kiesabbau wieder verschwinden
Es sei fraglich, ob dies dem Zweck des ökologischen Ausgleichs entspricht, so Betsche. Pro Natura sei nicht an die Vereinbarung gebunden. Welche Massnahmen jeweils die geeignetsten sind, werde man im Einzelfall genau anschauen: «Wir werden darauf achten, dass ein ökologischer Ausgleich die Gesamtbilanz der naturnahen Lebensräume verbessert.»
Es sei so, sagt Simon Egger, Leiter Sektion Natur und Landschaft im Departement Attiger, dass Kiesgruben, in denen während ihres Betriebs mindestens 20 Prozent der Fläche Wanderbiotope sind, diese am Schluss aufheben könnten, wenn die Grube rekultiviert wird: «Bisweilen ist davon beste Landwirtschaftsfläche betroffen, die nachher wieder so genutzt werden soll. Zu beachten ist auch, dass solche Wanderbiotope während Jahren, wenn nicht Jahrzehnten Bestand haben beziehungsweise mit dem Abbau mitwandern. Mit 20 Prozent haben wir gegenüber den Anforderungen des Baugesetzes gar eine Überkompensation.»
Wanderbiotope bieten laut Egger dynamische Lebensräume für bedrohte Tierarten. Der Kanton verfolge, ob die Kriterien eingehalten werden, er werde sie einfordern. Wenn in der Nähe eines Wanderbiotops ein Naturschutzgebiet ist, könnten diese Tierarten dann dorthin wechseln oder kämen gar von dort. Zudem stimme man auch die Instrumente der Landwirtschaftspolitik auf die Bedürfnisse der Biodiversität ab.
Möglich ist auch eine hybride Variante, wenn am Schluss ein Biotop bleiben soll, etwa wenn Kreuz- oder Geburtshelferkröte (Glögglifrosch) schon da sind. Dann müssten während des Kiesgrubenbetriebs minimal 18 Prozent diesem Zweck dienen, und nach der Renaturierung müssten acht Prozent der Fläche als Biotop bestehen bleiben. Egger: «Wir sind überzeugt, dass wir damit eine wirklich gute Vereinbarung treffen konnten, die den Interessen der Kiesgrubenbetreiber und der gefährdeten Tierarten dienen.»