Mit acht Monaten Verspätung wurde das umstrittene «Kunst am Bau»-Werk am Schulhausplatz eingeweiht. Künstler Kilian Rüthemann erklärte mit einer Prise Humor seine Beweggründe.
Ein fieser Nieselregen fiel am Donnerstagabend auf den Cordulaplatz in Baden. Trotz dem feuchtkalten Wetter kamen rund drei Dutzend Kunstfreunde zur Werkbetrachtung des umstrittenen «Stack» mit dem Künstler Kilian Rüthemann. Die städtischen Abteilungen Kultur sowie Planung und Bau schlossen sich für die rund acht Monate verspätete Einweihung des Kunstwerks mit dem Verein Kunstraum Baden zusammen.
Es war im Juli 2018, als ein Aufschrei durch die Badener Bevölkerung ging. Rüthemann hatte die fünf Meter hohe Säule aus 520 Gummischeiben ohne Vorankündigung vor der Cordulapost aufgebaut. Die Reaktionen fielen heftig aus, vielen Leuten gefiel der «Kunst und Bau»-Beitrag am neuen Schulhausplatz gut, mindestens ebenso viele fanden ihn scheusslich.
Der 39-jährige Rüthemann sagte damals, er sehe das Werk als Geschenk an die Stadt Baden: «Es ist auf jeden Fall gut, wenn darüber gesprochen wird. Aber es erstaunt mich, dass man heutzutage noch so provozieren kann mit Kunst.» Mit klammen Fingern besprach am Donnerstag Stadtrat und Kulturvorsteher Erich Obrist (parteilos) unter dem schützenden Vordach der Cordulapassage das Werk gemeinsam mit dem Künstler.
Warum die Einweihung des «Stack» so spät kommt, beantwortete Obrist gleich selbst: «Wir haben letztes Jahr die Einweihung schlicht verpasst. Jetzt kommen wir ein bisschen wie die alte Fasnacht hinterher.» Apropos Fasnacht: Die Spanischbrödlizunft benannte den «Stack» (englisch für Stapel) jüngst am Fasnachtsumzug kurzerhand in «Gummi Nitruus» um.
Erich Obrist erinnerte an das seit Jahrzehnten von Hassliebe geprägte Verhältnis der Badener zur Kunst im öffentlichen Raum – angefangen bei Hans Trudels Werken bis zu Eric Hattans «Spaghetti» am Landvogteischloss. «Der Begriff Spaghetti hat sich mittlerweile durchgesetzt. Gummi Nitruus wird sich kaum durchsetzen», mutmasste Obrist.
Kilian Rüthemann, der noch vor seinem Kunststudium eine Ausbildung zum Steinbildhauer absolviert hat, sprach in seinem sanften Toggenburger Dialekt über sein Schaffen: «Ich will das Material ausreizen. Auch hier am Schulhausplatz, der ja ein vielschichtiger Verkehrsknotenpunkt ist, auf dem ein sehr grosser Teil der Bewegung auf Kautschukreifen geschieht.»
Eine andere Idee, die ihn zur Säule aus Gummimatten brachte, war ein Stapel Omeletten. Und wie es eben schon im Jurybericht von 2015 hiess: «Das Werk soll zum Nachdenken und diskutieren anregen.» Erich Obrist ergänzte: «Das ist hier sicher gelungen. Mittlerweile gehört der ‹Stack› zu Baden – und er passt zu Baden.»
Im Anschluss an die Werkbetrachtung zog die tapfere Schar weiter in den Kunstraum zum Apéro und zu einer Podiumsdiskussion mit den Fragen: «Was ist gute Kunst? Wer legt Kriterien fest? Wer darf mitmachen?» In der Cordulapassage sind zudem in den nächsten Tagen Plakatwände mit weiteren Werken von Kilian Rüthemann zu sehen. Vorbeischauen lohnt sich.