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Die umstrittene «Kunst am Bau» beim Schulhausplatz kam für viele überraschend – im Vorfeld wusste kaum jemand, dass das Kunstwerk aufgestellt wird.
Die Stadt Baden hat einen neuen Stein des Anstosses. Oder vielmehr: eine Säule des Anstosses. Eine Gummi-Säule. Am Montag baute der Künstler Kilian Rüthemann vor der Cordulapost sein Werk «Stack» auf. Es ist ein fünf Meter hoher Turm aus Gummimatten.
520 schwarze Scheiben ragen jetzt über die Verkehrsebene des Schulhausplatzes. Viele Badenerinnen und Badener waren überrascht, als sie das Werk sahen. Im Vorfeld wusste kaum jemand, dass es aufgestellt wird. Die Stadt informierte erst am Dienstagnachmittag darüber, als das Werk längst stand.
Bei einem Augenschein gestern Morgen gingen die Meinungen auseinander. Eine Passantin sagte: «Es muss nicht immer alles auf den ersten Blick schön sein. Ich finde es gut, wenn man darüber redet.» Ein Anwohner ärgerte sich: «Ich bin enttäuscht. Der Platz ist so schön geworden – und jetzt das.»
2015 hatte die Stadt Baden fünf Künstler zu einem Wettbewerb eingeladen. Die Fachjury entschied sich einstimmig für Rüthemanns Werk. Der Basler Künstler sagt, ihm ginge es darum, den Verkehr auf dem Schulhausplatz aus einem anderen Blickwinkel zu thematisieren: «Hier fahren tagtäglich so viele Autos, Velos und auch Züge vorbei.» Der Kautschuk als Rohstoff für Gummireifen sei nicht unerschöpflich. «Ohne Gummi würde der ganze Verkehr lahmgelegt. Der ‹Stack› soll ein Monument für den Verkehr auf diesem Platz sein.»
In der Mitteilung der Stadt Baden vom Dienstag heisst es: «Der ‹Stack› (zu Deutsch: Stapel) ist nicht schön, aber eine prägnante Setzung, über die sich nachzudenken lohnt.» Dass das Werk nicht schön sei, findet Rüthemann nicht: «Mir gefällt’s. Es ist spannend, so viel Material aufeinandergeschichtet zu sehen.» Er hat die Gummimatten mithilfe einer Hebebühne übereinandergelegt.
Bereits am Dienstag war das Werk verunstaltet: Unzufriedene klebten Plakate an die Säule mit Sätzen wie diesen: «Soo gibt Baden Dein Steuergeld aus!», «Fucking Plastic Shit» oder «Baden wird grün! Steuergelder!?» Zudem stopften sie Zellophanfolie zwischen die Gummimatten. Als Rüthemann am Dienstag noch einmal in Baden war, hat er die Plakate eigenhändig entfernt.
«Das war ein Dämpfer», sagt der Künstler. «Das Budget war beschränkt und ich habe nicht besonders viel daran verdient.» Der 39-Jährige sagt, er sehe das Werk auch als Geschenk an die Stadt Baden: «Es ist auf jeden Fall gut, wenn darüber gesprochen wird. Aber es erstaunt mich, dass man heutzutage noch so provozieren kann mit Kunst.»
Trotzdem freue er sich sehr, dass er den «Stack» realisieren konnte. Die Schulkinder und die Gymnasiasten, die beim Aufbau vorbeigingen, hätten sich auch gefreut. Und: «Ich denke, in ein paar Monaten hat sich die Aufregung wieder gelegt.»
Ein Badener, der in der Nähe wohnt, sagte gestern: «Wieso wusste man davon nichts? Ich möchte wissen, was das gekostet hat.» Die Antwort: 60'000 Franken. Das Aargauer Stimmvolk bewilligte 2011 für den Umbau des Schulhausplatzes 97,4 Millionen Franken, bei einem Anteil der Stadt Baden von 47,3 Millionen. Ursprünglich war in dem Baukredit gar kein Beitrag für «Kunst am Bau» vorgesehen.
Jarl Olesen, Leiter der städtischen Abteilung Planung und Bau, sagt: «Wir konnten den Kanton überzeugen, doch noch einen Beitrag von 100'000 Franken für künstlerische Interventionen im Gesamtkredit aufzunehmen.» Anteilmässig beteiligte sich somit auch die Stadt.
40 000 Franken waren nötig für die Umplatzierung und Restaurierung der bestehenden Kunstwerke am Schulhausplatz (Hans Trudels «Reigen», der Obeliskenbrunnen vor dem Bezirksgebäude, die Fratzen am Haus zum Glas) und die Durchführung des Wettbewerbs. Die verbleibenden 60'000 Franken hatte Rüthemann als Budget für sein Werk.
Wieso die Öffentlichkeit im Vorfeld nichts von dem Werk wusste, kann sich Olesen auch nicht erklären. Das zuständige kantonale Departement Bau, Verkehr und Umwelt wollte sich als beteiligter Bauherr nicht zu dem Projekt äussern.