Die 15-jährige Kunstturnerin aus Kirchdorf gewinnt bei den Wettkämpfen in Obersiggenthal gleich drei Medaillen. Ihr Talent kommt nicht von ungefähr.
Es war mucksmäuschenstill in der grossen Sporthalle in Obersiggenthal: Nur gerade die sieben besten Kunstturnerinnen der Schweiz waren konzentriert am Einturnen, die Trainer und Betreuerinnen gaben ihnen noch letzte Tipps. Dazu kamen zahlreiche Kampfrichterinnen und ein paar wenige Fotografen. Dafür wurde alles per Live-Stream in die Stuben übertragen. So sehen Schweizer Meisterschaften im Jahr 2021 aus.
Die meisten Turnerinnen kamen aus der Romandie oder Zürich. Da stach Chiara Giubellini mit ihrem grün-weissen Dress heraus. Die Kirchdorferin hatte ein Heimspiel in der Halle vor ihrer Haustüre. Ob es auch ein Heimvorteil in der fast leeren Halle war, ist schwierig abzuschätzen. «Es ist natürlich schade, ich hätte sonst sicherlich viele Leute gekannt», meinte die zierliche 15-Jährige. So war nur von einigen Turnkolleginnen ein fast scheues «Hopp Chiara!» zu hören. Danach war es wieder still. Bei ihrem Namen leuchten bei vielen Kunstturnfans die Augen. Der alte Spruch «Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm» bewahrheitet sich einmal mehr: Ihr Vater Daniel Giubellini wurde 1990 Europameister am Barren. Und auch ihre beiden Brüder Matteo und Luca turnen bereits in der nationalen Spitze mit.
Da wollte Chiara natürlich nicht hintenanstehen und bestach mit herausragenden Leistungen: Sie holte sich am Boden und beim Sprung den Schweizer-Meister-Titel und auf dem Schwebebalken gewann sie die Silbermedaille. Nur im Mehrkampf hatte sie keine Chance, denn beim Stufenbarren konnte sie wegen eines Trainingsrückstandes nicht antreten und trotz dreier hervorragender Übungen durfte sie sich keine Chance auf eine Medaille ausrechnen.
«Natürlich hat mich das ‹echli möge›», meinte sie, während sie mit ihren drei Medaillen und den Rosen, die jede erfolgreiche Turnerin bekam, ihren Wettkampf analysierte. «Ich bin zufrieden», meinte sie bescheiden, um gleich selbstkritisch zu ergänzen: «Beim Schwebebalken hätte ich mehr stabilisieren müssen.» Fast die ganze Familie Giubellini war in Obersiggenthal dabei. Europameister Daniel setzte sich im Hintergrund als Helfer ein, Mutter Sabine führte mehrsprachig und versiert als Speakerin durch die Liveübertragung.
Hauptsächlich trainiert Chiara in Niederlenz. Doch nicht mehr lange: Nach den Sommerferien steht der Wechsel ins Verbandszentrum nach Magglingen auf dem Programm. Dann ist das Kunstturn-Familienunternehmen Giubellini besonders gefragt: Vater Daniel zieht mit Tochter Chiara während der Woche nach Biel, damit sie in Magglingen optimale Trainingsbedingungen vorfindet. Mutter Sabine bleibt mit den drei Kindern in Obersiggenthal.
«Ich habe Respekt vor diesem Schritt, freue mich aber auch auf den neuen Abschnitt in meinem Leben», meint Chiara vorsichtig. Vater Giubellini geht aber nicht als Trainer nach Magglingen, sondern arbeitet weiter in seinem angestammten Beruf in der Finanzbranche. Oft im Homeoffice, sonst in Zürich. «Aber jetzt ist meine Vaterrolle viel wichtiger», stellt er stolz die Prioritäten klar.