Startseite
Aargau
Baden
Eine parteiübergreifende Interessensgemeinschaft koordiniert in Wettingen die Nein-Kampagne gegen die Steuererhöhung von fünf Prozent. Die Keimzelle für den Widerstand war Facebook.
In Wettingen formiert sich Widerstand gegen die geplante Steuererhöhung. Am Donnerstag wird eine parteiübergreifende Interessengemeinschaft eine Medienmitteilung verschicken. In dieser steht: «Die IG attraktives Wettingen fordert die rote Karte für die Wettinger Schuldenpolitik und ruft auf zum Budget-Nein am 9. Februar 2020!» An diesem Tag wird die Stimmbevölkerung über das Budget und damit die Steuererhöhung von 95 auf 100 Prozent abstimmen.
Die Initianten der IG sind die beiden Einwohnerräte Orun Palit (GLP) und Martin Fricker (SVP), der ehemalige Einwohner- und Grossrat Thomas Bodmer (SVP) sowie der Steuerexperte Andrea Bova (parteilos).
Die IG bezeichnet sich als Zusammenschluss von Bürgerinnen und Bürgern Wettingens, die in grosser Sorge über die Schuldenwirtschaft der Gemeinde sind.
«In der IG engagieren sich parteiunabhängige Personen ebenso wie Mitglieder von Ortsparteien gemeinsam dafür, dass Wettingen wieder ein attraktiver Ort zum Wohnen und Leben, Arbeiten und Steuernzahlen wird», heisst es in der Mitteilung.
Noch im Dezember hatte der Wettinger Einwohnerrat in einer zweiten Runde das überarbeitete Budget 2020 mit 35 Ja- zu 12 Nein-Stimmen gutgeheissen. Wettingen droht bis 2022 ein Schuldenberg von 150 Millionen Franken.
Der Gemeinderat und die Mehrheit des Einwohnerrates wollen vier Prozentpunkte der Steuererhöhung in den Schuldenabbau investieren. Gegen das Budget stimmten damals die SVP-Fraktion und Orun Palit, der von der Meinung seiner GLP-Parteikollegen abwich.
Gemäss Gemeindeordnung ist das Budget auch den Stimmberechtigten zu unterbreiten. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Steuerfuss angepasst wird. Diese Verpflichtung hat sich die Gemeinde vor Jahren auferlegt. Sie wäre nach kantonalem Recht nicht dazu gezwungen.
Die Budget-Gegner haben sich vor einer Woche zur IG formiert. Die Initialzündung sei ein Aufruf auf Facebook gewesen, der die Bekämpfung der Steuererhöhung forderte, sagt Orun Palit. «Die Zeit bis zur Abstimmung ist knapp, aber wir sind der Überzeugung, dass es sich lohnt.»
Bis am Samstag sollen an alle Haushalte Flyer verteilt werden. Neben der Medienmitteilung will die IG auch Leserbriefe verfassen und eine Flyer-Aktion auf den Wettinger Strassen durchführen. Für weitere Informationen wird die Homepage ig-attraktiveswettingen.net aufgeschaltet.
Palit fordert, dass Steuererhöhungen das allerletzte, nicht aber das erste Mittel sein dürfen, um die Finanzen einer Gemeinde zu sanieren. «Der Einwohnerrat hat in der ersten Budgetrunde Druck gemacht, woraufhin der Gemeinderat noch Sparpotenzial entdeckt hat. Nun liegt es an der Bevölkerung, noch mehr Druck aufzubauen, um noch mehr Sparpotenzial ans Tageslicht zu fördern.»
Palit ist überzeugt: «Die Zitrone ist noch nicht ausgepresst, wie uns der Gemeinderat immer weismachen will.»
Seit Jahren lebe die Gemeinde über ihren Verhältnissen und gebe Geld für Unnötiges und Überrissenes aus. Luxussanierungen von Quartierstrassen, unnötige Projekte wie das «goldene Dacherl» am Bahnhof, überrissene Lohnerhöhungen und Ausbau von Sozialleistungen für Angestellte oder ein massiver Stellenausbau bei der Gemeinde seien nur die Spitze des Eisbergs.
Die IG schreibt in ihrer Mitteilung: «Langfristig kann das grösste Aargauer Dorf nur dann attraktiv bleiben, wenn es endlich eine massvolle und nachhaltige Ausgabenpolitik betreibt.» Dies sei heute leider nicht der Fall.
Deshalb fordert die IG: «Schluss mit der verfehlten Ausgabenpolitik und keine Steuererhöhung auf Vorrat.» Im Jahr 2010 betrug der Steuerfuss in Wettingen noch 87 Prozent, nun soll er auf 100 steigen. Berücksichtigt man den Steuerabtausch zwischen Kanton und Gemeinden von 2018, dann steigt Wettingens Steuerfuss innert 10 Jahren um 16 Prozentpunkte.
Palit sagt: «Mit dieser unseriösen Schuldenwirtschaft wird die Gemeinde deutlich an Attraktivität für den Mittelstand verlieren.» Dies zeige sich gerade auch im Vergleich mit der Stadt Baden (Steuerfuss 92 Prozent), die in Wettingen immer gerne als Vergleichswert herangezogen werde.
Und klar sei leider heute schon, so Palit: «Wenn Wettingen jetzt nicht endlich ernsthaft spart, werden wir in wenigen Jahren die nächste massive Steuererhöhung haben.»
Sein Wunsch: Die Ausgaben der Gemeinde seien um ein Steuerprozent zu kürzen und der Steuerfuss soll unverändert bei 95 Prozent bleiben. Dass der Überschuss – also die vier Prozentpunkte der angedachten Steuererhöhung – vollumfänglich in den Schuldenabbau fliessen würde, sei ohnehin illusorisch, findet er.
«Die Erfahrung zeigt: Gibt man einer Gemeinde Geld, gibt sie es auch gleich wieder aus.» Den Schuldenberg innerhalb einer Generation abzubauen – wie es Gemeinderat und die Mehrheit des Einwohnerrats wollen – sei unnötig. «Es genügt, ihn auf ein vernünftiges Niveau zu bringen», sagt Palit.
Doch was sind die Folgen, wenn die Stimmbevölkerung das Budget an der Urne ablehnt? Dann würde nicht der Einwohnerrat ein drittes Mal über das Budget abstimmen, sondern der Kanton müsste sich einschalten. Der Regierungsrat und mit ihm der ehemalige Wettinger Gemeindeammann Markus Dieth würden dann das Budget 2020 und den Steuerfuss für Wettingen festlegen.