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Im Vergleich zu den Demonstrationen in anderen Kantonen und der Kundgebung vor zwei Jahren fielen die Aktionen im Aargau unspektakulär aus. Weshalb sie trotzdem wertvoll sind.
Punkt 15 Uhr auf dem Bahnhofplatz in Baden: Aus den Lautsprechern der umliegenden Public Viewings schallt der Anpfiff zum EM-Spiel zwischen Schottland und Tschechien, ein Bub tollt im Brunnen herum, die Fahnen flattern im Wind. Der Platz selbst ist leer, obwohl die SP Frauen Aargau eine Aktion zum Frauenstreiktag angekündigt haben.
Wer nun mitten in dieser alltäglichen Situation einen grossen Aufmarsch zum Frauenstreik erwartet, wird enttäuscht. Wer auf Bilder wie aus Luzern, Basel oder Zürich hofft, wo Aktivistinnen Tramlinien blockierten oder Brunnenwasser lila färbten, wartet vergebens. Die Aktion in Baden ist im Vergleich dazu unspektakulär. Ein stiller Protest. So nennt es jedenfalls Mitorganisatorin und SP-Politikerin Mia Gujer.
Gujer ist eine von sechs Frauen, die nun kleine Plakate, Schnur und Wäscheklammern auspacken. Kein grosses Trara, nur 30 Blätter Papier, die zwischen den Fahnenmasten befestigt werden. «Wir haben bewusst keine grosse Aktion geplant», sagt Gujer. Schliesslich liefen auch in anderen Kantonen sehr viele Anlässe, bei denen sich der Grossteil der Aargauerinnen und Aargauer anschliessen würde. «Deshalb wollten wir nicht wieder so gross aufrütteln wie vor zwei Jahren», sagt Gujer. «Wären mehr Zuschauer hier, hätten wir die Forderungen immerhin laut vorgelesen.» So aber werden sie still und heimlich angebracht. Trotzdem sagt Gujer:
«Es ist wichtig, dass wir ein Bewusstsein für all die Probleme schaffen, die es immer noch gibt.»
Nach dem kurzen Gespräch sind bereits die Schnüre zwischen den Stangen hindurch gespannt. An ihnen befestigen die Aktivistinnen die ausgedruckten Forderungen. Gujer stösst dazu und schnappt sich ein Plakat: «Ehe für alle, die wollen». Sie hängt es zwischen «Statistische Erfassung von Femiziden» und «Auch tiefe Löhne müssen in der Pensionskasse versichert sein». Einige der 30 Forderungen sind konkret, andere sprechen allgemeine Missstände in der Gesellschaft an. Gefordert wird auch eine 50-Prozent-Frauenquote in Führungsgremien, die kostenlose Kinderbetreuung oder gleicher Lohn für alle.
«Uns geht es um Präsenz und Sichtbarkeit», erklärt Gujer weiter. «Ich bin seit zehn Jahren aktiv in der Politik. Es ist erschreckend, wie wenig sich seither getan hat.» Dabei wären viele der Forderungen grundsätzlich einfach umzusetzen. Umso wichtiger sei es deshalb, nicht locker zu lassen und darauf aufmerksam zu machen, wie weit entfernt wir noch immer von einer gleichgestellten Gesellschaft seien.
Eine Passantin beobachtet die Aktion aus der Ferne. Sie sagt:
«Ich finde es toll, dass sich junge und motivierte Menschen für uns Frauen einsetzen und sich für unsere Rechte stark machen. Schliesslich verändert es nichts, wenn man sich nur beklagt.»
Eine weitere Passantin bleibt stehen, schaut zu, wartet kurz, geht dann aber weiter. Zu weit weg hängen die Blätter, zu klein gedruckt ist die Schrift, um sie aus der Distanz lesen zu können. Keine halbe Stunde ist um und schon sind die Forderungen befestigt, die Aktion auch schon wieder vorbei. Beinahe etwas verloren hängen die Blätter zwischen den Stangen und wehen im leichten Wind. «Einige von uns ziehen jetzt weiter nach Zürich, um dort zu demonstrieren», sagt Gujer.
Gleichzeitig wie in Baden wird auch in Aarau auf die Ungleichheiten aufmerksam gemacht. Am Holzmarkt konnten sich Interessierte im «feministischen Impfzelt» einen «Gleichstellungs-Schnelltest» oder eine «feministische Schluckimpfung» abholen. Zwar zielt die Aktion auf die aktuelle Coronasituation ab. Wie die Organisatorinnen sagen, gehe es aber hauptsächlich darum, mit anderen ins Gespräch zu kommen und aufzuzeigen, warum es wichtig ist, sich weiterhin für feministische Anliegen einzusetzen.