Auf der Limmatpromenade ist diese Woche das Kunstwerk «Overspill» aufgestellt worden. Die Jury, die grünes Licht für die zehn bis zu drei Meter hohen Bronzeskulpturen gab, schliesst nicht aus, dass diese beim Betrachter auf Widerstand stossen könnten. Ilona Ruegg sagt: «Ich hoffe sehr, dass ‹Overspill› von der Bevölkerung geliebt wird.»
Baden hat ein Flair dafür, sich bei Kunst im öffentlichen Raum für umstrittene, ja polarisierende Projekte zu entscheiden. Am orangefarbenen «Spaghetti» beim Melonenschnitz neben dem Landvogteischloss oder am Gummiturm «Stack» auf dem Schulhausplatz scheiden sich bis heute die Geister.
Diese Woche sind auf der neuen Limmatpromenade im Bäderquartier die Skulpturen von Ilona Ruegg aufgestellt worden. Wieder ist es ein Projekt, das zu reden geben dürfte. So schrieb bereits die siebenköpfige Jury, die sich beim Wettbewerb 2020 für das Projekt «Overspill» entschied: Man habe kontrovers diskutiert, ob die Objekte «beim Betrachter auch auf Widerstand stossen könnten, weil sie nicht unmittelbar verstanden werden».
Wir fragen bei der Künstlerin nach. «Was sollen diese Rohre, Frau Ruegg»? Sie lacht und antwortet: «Mir ist bewusst, dass Kunst im öffentlichen Raum in Baden in der Vergangenheit zu reden gegeben hat. Ich hoffe aber sehr, dass ‹Overspill› von der Bevölkerung geliebt wird.» Und sie ist überzeugt: «Gerade Kinder, die hier auf der Promenade so oft mit ihren Eltern unterwegs sind, werden meine Kunst intuitiv nutzen und verstehen.»
Bei «Overspill» handelt es sich um zehn Bronzeskulpturen an sechs Standorten mit Grössenordnungen von 60 Zentimetern bis zu drei Metern, die entlang der Limmatpromenade aufgestellt worden sind. Ruegg führt aus: «In Baden gibt es bekanntlich 18 Thermalwasserquellen. Das Wasser wird unterirdisch verteilt, wobei das Verteilungssystem sehr komplex sein muss. Die Idee ist, dass die Rohre und Verzweigungselemente, die wir nie sehen, sichtbar werden und an die Oberfläche kommen.»
Overspill sei eigentlich ein Begriff aus der Radiowelt: Er meint die Versorgung einer Gegend mit dem Signal, das nicht innerhalb des eigentlichen Versorgungsgebietes liegt. Beispiel: Man konnte westdeutsches Radio auch in der DDR hören. Die Röhrenformationen im Bäderquartier überschreiten nun ebenfalls eine Grenze, spriessen aus dem Untergrund an die Oberfläche.
Die Stadt Baden teilt mit: «Massgeblich für den Entscheid der Wettbewerbsjury für dieses Projekt war, dass die Geschichte des Ortes aufgenommen wird.» Das nur punktuell erlebbare Thermalwasser und die unterirdischen Quellfassungen und Leitungen werden an die Oberfläche und somit ins Bewusstsein der Besucherinnen und Besucher der Bäder gebracht.
Die unterschiedlich hohen und breiten Rohre sind aus Bronze, die Zwischenstücke aus Keramik, Glas und Kunststoff, sagt Ruegg weiter. Bei Sonneneinstrahlung werden die Bronzeteile warm, wodurch man womöglich den Eindruck erhalte, es fliesse tatsächlich etwas durch die Rohre.
Die Skulpturen mit ihren unterschiedlichen anatomischen Formen laden zum Anlehnen und Draufsitzen ein, sagt Ruegg. Schon bei der Installation diese Woche habe sie bemerkt, dass gerade Kinder die Overspill-Formationen intuitiv nutzten. «Gleichzeitig sollen die Skulpturen die Identität des Ortes stärken, der schon in keltischer Zeit genutzt wurde.»
Die Fertigung von Overspill erfolgte im Wesentlichen durch die Kunstgiesserei St. Gallen und die Christen Guss AG in Bergdietikon, in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin. Ermöglicht hat dieses Projekt die Josef-und-Margrit-Killer-Schmidli-Stiftung mit Sitz in Baden. Sie finanzierte den Wettbewerb mit 50’000 und die Realisierung des Kunstwerks mit bis zu 250’000 Franken.
Josef Killer und seine Frau Margrit Killer-Schmidli setzten sich laut einer früheren Mitteilung der Stadt zeitlebens für gesellschaftliche und kulturelle Anliegen ein. Josef Killer (1900–1993) habe als visionärer Planer und Ingenieur in der Region und für die Schweiz mehrere bedeutsame Bauprojekte im Kraftwerk-, Tunnel- und Strassenbau geplant, realisiert und mit seiner teils oppositionellen Einmischung positiv beeinflusst.