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Aargau
Auf die neue Festivalsleiterin wartet ein neues Genre und die Spuren einer Pandemie.
«Eine Ära endet», bedauerte das Animationsfilmfestival Fantoche im Januar, als die langjährige Leiterin Annette Schindler ihren Rücktritt ankündigte. Ein letztes Mal wird das Festival kommenden September unter ihrer Führung über die – hoffentlich reale – Bühne gehen. Danach wird Ivana Kvesić das Festival in die «neue Ära» führen.
Seit 1995 feiert Fantoche in Baden den Trick- und Animationsfilm und hat sich in den letzten Jahren auch international bemerkbar gemacht. Nun kommt mit Ivana Kvesić eine, die neu ist im Genre. In der hiesigen Filmszene ist sie allerdings bestens vernetzt: Seit 2017 ist sie Co-Leiterin Schweizer Jugendfilmtage; bei den internationalen Kurzfilmtagen in Winterthur und bei ag-film der Roten Fabrik in Zürich ist sie Teil des Selektionsteams. «Ich schaue pro Jahr mindesten 1000 Kurzfilme, ich habe gelernt, Filme zu beurteilen. Die geringe Erfahrung im Genre ist kein Nachteil», sagt die gelernte Produktdesignerin, «ich werde frische Inputs einbringen.» Mit der Wahl von Ivana Kvesić bekennt sich auch der Vorstand zu diesen neuen Blickwinkeln.
Auf die Herausforderung freut sich Kvesić. Aus dem Gespräch klingt Tatendrang, Neugierde – und Lust an einem Genre, das seine visuellen Grenzen konsequent sprengt. «Der Animationsfilm kann mich stets aufs Neue verblüffen», sagt Kvesić.
Noch sind Frauen in der Schweizer Filmbranche unterrepräsentiert. Die 42-Jährige geht dieses Ungleichgewicht von innen heraus an, lancierte etwa Workshops, die gezielt junge Mädchen für Film begeistern sollen, und ist Vorstandsmitglied bei SWAN, dem Netzwerk für Frauen in audiovisuellen Berufen. Mit diesem Fokus kann Kvesić an die Pläne ihrer Vorgängerin anknüpfen. 2020 unterzeichnete Fantoche das Versprechen für Gleichheit und Inklusion an Filmfestivals.
Nach zwei Festivalausgaben im Pandemiemodus wird sich Ivana Kvesić, wenn sie ab September übernimmt, mit den Folgen dieser Krise auseinandersetzen müssen. Mit einem Masterabschluss in Wirtschaftswissenschaften und einer Weiterbildung zur Kulturmanagerin bringt sie in finanziellen Belangen viel Erfahrung mit. «In der Kulturbranche schadet ein Background in Wirtschaft nicht», sagt die Festivalleiterin in Spe, «da ich nicht nur künstlerische Leiterin bin, muss ich überall über die Bücher.»
«Ich will Filme zeigen, die herausfordern.»
Ein Wechsel nach zehn Jahren ist unweigerlich eine Zäsur. «Das erste Jahr wird das krasseste», sagt Ivana Kvesić, «es sind grosse Fussstapfen. Ich will das, was Annette Schindler erreicht hat, ehren und eigene Akzente setzen.» Schindler hat den digitalen Wandel vorangetrieben und die Festivaleintritte um 25 Prozent gesteigert. Die internationale Ausrichtung, die Schindler angestossen hat, will Kvesić weiterführen. Auch interdisziplinäre Kooperationen reizen sie. «Ein Festival ist eine Plattform, die ein Genre in seiner ganzen Breite auslegt und den Horizont des Publikums erweitert. Ich will Filme zeigen, die herausfordern.»