Aarau
Zwei Zahnärztinnen und keine Patienten: «Für unsere junge Praxis ist der Notstand eine Katastrophe»

Die Aarauer Zahnärztinnen Stefanie Oertig und Linda Heierle sitzen Zuhause auf Abruf. Sie dürfen nur noch Notfallpatienten behandeln. Bis jetzt hat sich noch keiner gemeldet.

Katja Schlegel
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Stefanie Oertig und Linda Heierle wünschen sich Solidarität von den Liegenschaftsbesitzern.

Stefanie Oertig und Linda Heierle wünschen sich Solidarität von den Liegenschaftsbesitzern.

ksc/Archiv

Manchmal, da weiss Stefanie Oertig nicht, ob sie lachen oder weinen soll. Ob sie verzweifeln oder hinnehmen soll. Erst vor zwei Jahren hat sie sich mit Studien-Freundin Linda Heierle-Märki in der Aarauer Altstadt selbstständig gemacht. Als Zahnärztinnen, mit nur gerade 33 Jahren. Die beiden übernahmen die Praxis von Andreas Brack und Peter Born im Ochsengässli, bauten sie komplett um. Das Geschäft lief gut an, gerade war der Moment erreicht, in dem alles in eine gewisse Normalität überging.

Und jetzt steht alles still.

Seit dem Ausrufen des Notstands dürfen Zahnärzte nur noch Notfallpatienten annehmen. Bis jetzt hat sich noch kein Notfall gemeldet. Die beiden Zahnärztinnen sitzen daheim auf Abruf, ihre sieben Angestellten betreuen abwechselnd das Telefon. Sagen Termine ab, verschieben sie – bloss auf wann? Wird ab dem 19. April alles wieder laufen können wie vorher?

Löhne für sieben Angestellte, die Miete für die Praxis, Kreditraten für die teuren Medizinalgeräte – die Fixkosten sind hoch. Rein kommt nichts. Und das nur zwei Jahre nach der Eröffnung. «Für unsere junge Praxis ist der Notstand eine Katastrophe», sagt Oertig. Manchmal könne sie – bei allem Verständnis für die rigorosen Massnahmen – einfach nur noch Schwarzsehen. «Dann plagen mich schlimme Existenzängste.» Dann wieder überwiege die Sorge um die Gesundheit aller. Und in guten Momenten könne sie dem Umstand, dass ihre Termine nur verschoben und nicht abgesagt sind, das Gute abgewinnen.

«Wer ein Haus besitzt, nagt nicht am Hungertuch»

Was Stefanie Oertig und Linda Heierle sich wünschen: Solidarität. Und zwar von den Liegenschaftsbesitzern, deren Mieter ihr Geschäft schliessen mussten. «Wer ein Haus besitzt, nagt in der Regel nicht am Hungertuch. Deshalb appellieren wir an die Hausbesitzer: Helft euren Mietern, zu überleben. Zeigt euch solidarisch und bietet den Kleinunternehmern an, auf die Mietzinsen teilweise oder ganz zu verzichten. Und zwar proaktiv.» Kein Liegenschaftsbesitzer habe etwas davon, wenn der Laden oder die Praxis in seinem Haus eingehe, im Gegenteil, so Oertig. Ihre eigene Vermieterschaft habe auf ihren Antrag hin eine Lösung in Aussicht gestellt.

Und jetzt? Stefanie Oertig sitzt daheim, portioniert sich die Büroarbeit, die noch zu erledigen ist. «Damit jeden Tag ein bisschen was zu tun bleibt.» Und dann wird wohl der Moment kommen, in dem sie die Socken in der Kommode sortiert. Stefanie Oertig seufzt. «Das werden wohl die mit Abstand bedrückendsten, teuersten und langweiligsten Ferien, die ich je hatte.»