Am Samstag, 7. September, feiert Marguerite Nünlist-Häfliger ihren 100.Geburtstag. Sie nimmt diesen Tag gelassen. So, wie sie sich ihr ganzes Leben in Gelassenheit geübt hat.
Es ist kurz nach dem Mittag. Marguerite Nünlist-Häfliger liegt im Bett in ihrem Zimmer im Altersheim Herosé. Sie geniesst die Ruhe nach dem Mittagessen. Sie freut sich aber über den Besuch der Journalistin und die Abwechslung, die dieser Besuch – ein paar Tage vor ihrem 100. Geburtstag – mit sich bringt. So was gebe es nicht alle Tage. Sie schüttelt mit kräftigem Griff die Hand, lächelt.
Der 100. Geburtstag. Ja-ja, sagt sie, das sei halt so. Sie begegnet diesem besonderen Tag mit Gelassenheit. So, wie sie es ihr ganzes Leben gehalten hat. Sie habe das Leben so genommen, wie es gekommen ist. Ja-ja. Und es gehe ihr gut. Die Beschwerden würden sich in Grenzen halten. Die Fragen versteht sie ohne Probleme. Und auch die Augen seien noch gut.
Das Leben habe es gut mit ihr gemeint, sagt sie. Die Eltern seien ganz lieb gewesen. Am 7. September 1913 kam Marguerite Nünlist-Häfliger in Courrendlin – einem Dorf in der Nähe von Delémont – zur Welt. Aufgewachsen ist sie französischsprachig. Nur manchmal sei zu Hause Deutsch gesprochen worden, sagt sie.
In ihrem Geburtsort verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend auf dem elterlichen Bauernhof, zusammen mit ihren fünf Geschwistern. Drei Brüder, zwei Schwestern. In Courrendlin besuchte sie auch die Schule. Danach half sie ihren Eltern auf dem Hof.
Die Wirtschaftslage in den 30er-Jahren machte es auch der Familie Häfliger nicht einfach. Während die Brüder eine Lehre absolvieren durften, musste Marguerite Häfliger-Nünlist Geld als Kellnerin verdienen und so die Familie finanziell unterstützen. «Meine Mutter hat mich in die Deutschschweiz geschickt. Damit mein Deutsch besser wird», erinnert sie sich nach langem Überlegen. Nach einem Aufenthalt in Basel hat es sie nach Aarau verschlagen. «Da habe ich meinen Mann kennen gelernt.» Robert Nünlist, ein waschechter Aarauer.
Eine Zeit, an die sie sich gerne erinnert. Doch auf welchem Platz in Aarau sie ihn kennen gelernt hat, will ihr auch nach langem Studieren nicht einfallen. Sie winkt ab. Ja, ja, sie könne sich halt nicht mehr an alles erinnern. 1936 folgte die Hochzeit im Welschland. Sie weist lächelnd auf eine Fotografie von ihr und ihrem Mann vom Hochzeitstag, die in ihrem Zimmer gut sichtbar an der Wand hängt. Sie zeigt eine strahlende, junge Frau.
Das Wichtigste in ihrem Leben folgte nach der Hochzeit. Ihre drei Kinder. Zwei Töchter, ein Sohn. Deren Erziehung wurde zu ihrem Lebensinhalt. Nicht nur die eigenen Kinder hatten es gut bei ihr. Auch Kinder von Verwandten und Nachbarn bekamen ihr grosses Herz für Kinder zu spüren. Mittlerweile sind sechs Enkel und sieben Urenkel dazu gekommen. Fotos von ihnen sind im ganzen Zimmer aufgestellt.
Im Dezember 2003 verstarb Robert Nünlist. 2004 bezog Marguerite Nünlist-Häfliger das Zimmer im Herosé. Es gefalle ihr hier. Stricken und lesen, das mache sie immer noch gerne. Und draussen in der Natur frische Luft schnappen; das sei etwas Gutes.
Das Rezept um 100 Jahre alt zu werden? «Ach was», antwortet sie. «Dafür gibt es doch kein Rezept.» Was auf den Samstag – für den grossen Tag – geplant sei, wisse sie nicht. Einen Wunsch habe sie auch nicht. «Ich habe alles, was ich brauche», sagt sie bescheiden. Wobei: Weiterhin gesund bleiben, das wäre schon etwas.