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Nach 36 Jahren geht Kaminfegermeister Willy Leuzinger in Pension. In seinem Leben hat er viel erlebt und kann so manches erzählen: «Wer das Krematorium putzen musste, durfte hinterher nach Hause unter die Dusche.»
«Das ist kein Aberglaube», sagt Willy Leuzinger. «Es stimmt: Wir bringen Glück.» Die Kaminfeger verhindern manchen Brand und manche Vergiftung, indem sie Pech- und Russrückstände entfernen.
36 Jahre lang hat Leuzinger das Revier Buchs/Suhr betreut. Wie viele Kamine er in dieser Zeit gereinigt hat, kann er aus dem Stegreif nicht sagen. Fragend schaut er zu Peter Gloor.
Auch er kennt sich aus, hat er doch fünfzehneinhalb Jahre mit Leuzinger gearbeitet und schon bei ihm die Lehre absolviert. 3500 Anlagen seien es in Buchs und Suhr, weiss er. Hochgerechnet auf 36 Jahre macht das bei einer Reinigung jährlich 126'000 Kamine und Heizungen.
Eine eindrückliche Zahl. Doch manche Kamine sind Leuzinger in besonderer Erinnerung. Als er nach dem Lehrabschluss 1970 in Aarau arbeitete, musste er das Krematorium reinigen. «Darum hat sich nie jemand gerissen.
Damals musste man mit der Feuerwehrkanzel auf die riesige Kuppel und den Kamin hinunterrutschen. Und dann hatte es immer viel Material im Kamin.» Rabenschwarz am ganzen Körper sei er danach gewesen. Der Mann, der das Krematorium putzen musste, durfte hinterher nach Hause unter die Dusche.
Es gab auch angenehmere Einsätze. Leuzinger erzählt: «Eines Mittags bekam ich einen Telefonanruf. Der Mann berichtete, dass eine Katze den Kamin hinuntergefallen sei. Er habe das Büsi im Estrich dermassen verschreckt, dass es mit einem riesigen Satz in den Kamin gesprungen sei.» Sofort fuhr Leuzinger hin.
Doch als er das Törli öffnete, erschrak die Katze noch mehr, sodass sie im Kachelofen Zuflucht suchte. Es habe nur eine Möglichkeit gegeben, so Leuzinger: «Mucksmäuschenstill sein und warten, bis sie von selbst herauskommt.» Und tatsächlich: Nach einer Stunde wagte sich die Katze aus dem Ofen hinaus.
Willy Leuzinger hat noch mehr solche Geschichten zu erzählen. Der enge Kundenkontakt ist denn auch ein Faktor, warum ihm der Beruf so gut gefiel. «Man trifft Leute aus allen Schichten. Und die selbstständige Arbeit ist etwas vom Schönsten.» Schon als kleiner Bub war er fasziniert vom Mann in Schwarz. Immer, wenn dieser im Haus war, sei er daneben gesessen und habe zugeschaut.
Heute hat ein Kaminfeger drei Aufgaben: Kaminreinigung, Abgaskontrolle und Feuerschau. Dabei wird kontrolliert, ob bei Neuinstallationen alle Brandschutzvorschriften eingehalten werden. Laut Leuziger gibt es heute wesentlich weniger Beanstandungen, was die Abgase betrifft. «Sicher auch dank tieferen Grenzwerten und strengeren Vorschriften.»
Der Beruf habe sich enorm verändert, sagt Leuzinger. Weniger klassische Reinigung mit Kugel und Rute, mehr Kontrollen. Auch viele Industriekamine fallen weg, etwa weil die Betriebe mit Fernwärme aus der KVA Buchs geheizt werden.
Zudem wurden die Reinigungsintervalle 1992 von zweimal auf einmal jährlich reduziert. «Aus diesen Gründen braucht es heute weniger Kaminfeger als früher», so Leuzinger.
In seiner Laufbahn hat er sieben Lehrlinge ausgebildet. Obwohl heute ein Drittel der Kaminfeger weiblich sind, war keine Frau darunter. Leuzinger sagt, er habe von anderen Meistern gehört, dass Frauen weniger Probleme machen: «Sie maulen nicht und haben keine Probleme in der Schule.»
Doch nun ist es für Willy Leuzinger Zeit, Abschied zu nehmen. Kugel und Rute hat er schon im Keller verstaut, obwohl er erst am 26. Dezember den 65. Geburtstag feiert. Zum Schluss sagt er: «Ich möchte mich für die gute Zeit bedanken und wünsche allen viel Glück im neuen Jahr.» Wenn er Glück wünscht, wird es bestimmt wirken.